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Brief vom 27. Juni 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1339.


[421]
St Clou, sambstag, 27 Juni 1722, umb 7 nachmittags (N. 7).
Hertzallerliebe Louise, ich fange gar spat ahn, zu schreiben, habe aber heütte morgen Eüch ohnmoglich schreiben konnen, den ich habe 2 gar verdrießliche undt langweillige brieffe zu schreiben gehabt, erstlich auff 2 brieff zu andtwortten, den I. L. [die kaiserin] [422] haben mir part von dem heüraht vom churprintzen geben mitt der ertzhertzogin Amelie[1] undt auch, daß sein printz, so bischoff von Batterborn undt Münster ist[2], coadjutter von chur-Cöln geworden ist. Darnach habe ich ahn die arme junge printzes de Conti geschrieben, welche ihren protzes absolutte gegen in[3] herrn verlohren. Ich habe woll gedacht, daß es so abgehen [werde]; ich habs ihr vorher gesagt undt geschrieben, auch trewen raht geben, aber sie hatt andern raht gefolgt, so es nicht so gutt mitt ihr [gemeint] haben, alß ich. Ihr arest[4] ist, daß sie noch 6 mont im closter bleiben solle, hernach wider a lhostel de Conti zu ihrem herrn gehen[5]. Ich glaube nicht, zu sehen[6] den abscheülichen haß, so sie gegen ihren herrn hatt, daß sie sich ihr leben dazu wirdt resolviren konnen. Ich werde umb 5 nach Madrit; die hitze ist so abscheülich, daß ich erst umb 5 nach Madrit werde, will dießen brieff erst außschreiben. Ich komme auff Ewer liebes schreiben vom 2 Juni, no 41. Bißher kan ich mir meiner gesundtheit noch gar nicht berühmen; den seyder vergangenen sontag, daß man mich wieder auffs neü mitt dem grünen safft purgirt, bin ich matter undt ärger, alß nie. Waß weitter drauß werden wirdt, solle die zeit lehren. In meinem alter undt in [423] dießem landt muß man auff kein große vergnügen bawen; wen man nur nichts neües verdrießliches hatt, solle man woll zufrieden sein. Ich bin lange jahren gesundt geweßen, also woll billig, daß ich jetzt ein wenig kranckle. Wie ist es möglich, daß Ihr den stinckenden, bittern caffé lieben könt? Er richt wie ein stinckender ahtem. Es war ein ertzbischoff von Paris, der war rohtkopffig undt roch eben so, daß eckelt mir abscheülich[7]. Ich konte niemandts ehren undt den[8] caffé drincken, viel leütte lieben daß stinckende zeüg hir. In Hollandt seindt die weiber sehr verbicht auff Frantzoßen, daß kan ich nicht begreiffen. Ihr sagt nicht, wie der Frantzoß heist, den die graffin von Do[h]na genohmen. Ich misch mich in gar keine affairen undt weniger in religion-sachen, alß andere, kan mich also der seebachischen sach gar nicht ahnnehmen. Dem könig in Preussen kompt es beßer zu, alß mir, weillen er der protector von den pfaltzischen Reformirten ist, undt sein wordt wirdt mehr krafft haben, alß daß meine. Selantin kene ich gar woll, ist lang hir geweßen; man hatt ihn ein wenig zu Paris beschuldigt, ohne wider geruffen weg gegangen zu sein undt, wie man es hir heist, un trou dans la lune gemacht zu haben[9]. Ihr segt woll, liebe Louise, daß es mir nicht zukommen würde, von ein[e]r sach zu sprechen (ich, die ich mich in gar nichts mische), so der konig in Preussen ahngefangen hatt. Ich weiß nichts vom westphallischen frieden, sehe aber woll, daß leyder wenig gehalten wirdt, waß in den frieden versprochen wirdt. Die Frantzoßen haben daß, umb gelt zu ziehen, werden sie alle grausam undt barbarisch undt übergehen allezeit ihre ordre; da mischen sich den die pfaffen drein undt daß stelt den teüffel ahn. Meine kutsch seindt kommen, ich will frische lufft schopffen.
Da komme ich wider von Madrit, hab kein schritten gehen können, bin gar zu matt, muß auffhören, zu schreiben undt nach bett gehen. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen, [424] undt so lang mir meine schwachheit nicht den garauß macht, werde ich Eüch von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Juni 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 421–424
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1339.html
Änderungsstand:
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