Seitenbanner

Brief vom 2. Juli 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1340.


[424]
St Clou den 2 Julli 1722.
Hertzallerliebe Louisse, ob ich zwar müdt wie ein armer hundt bin undt heütte zu Versail[les] geweßen, wo ich mich recht müdt getrepelt habe, so will ich doch nicht schlaffen gehen, ohne Eüch zu schreiben, liebe Louise! Ich habe 2 tag nach einander von Ewern lieben schreiben entpfangen, eines vom 16, daß ander vom 20 Juni, no 45 undt 46; ich muß auff daß frischte andtwortten, daß erste vor ein ander mahl sparen. Ach, liebe, wen es Eüch frewet, eine versicherung zu haben, daß ich allezeit dießelbe vor Eüch bleiben werde, die Ihr mich jetzt secht, so könt Ihr woll deßwegen in ruhen sein, liebe Louise! Den nichts ist sicherer, liebe Louise! Ich habe mein leben vor niemandts, so ich lieb gehabt, geendert, den vor mich[1], undt wie ich sehr persuadirt, daß Eüch diß nicht wiederfahr[e]n wirdt, liebe Louise, also kont Ihr deßwegen woll in ruhen sein. Wir können singen, wie in Athis: Le sang et lamitié nous unissent tout deux[2]. Fleyßig vor mich zu betten, da dancke ich Eüch gar sehr, den ich halte Ewer gebett undt alle die, so tugendtsam sein, vor gar gutt[3]. Bißher schlegt meine unpaßlichkeit noch gar zu keiner gesundtheit auß, ich bin matter, alß nie. Mein übel kompt mir von nichts anders, alß von der boßen aderlaß, da ich so gar viel blutt verlohren habe. Dieß jahr, so warm es auch geweßen, habe ich doch immer kalte hände gehabt. Hir hatt es in 14 tagen nicht geregnet, auch ist ein abscheülicher staub überall. Hir ist es nicht kalt, alle menschen beklagen sich über die hitze. Durch glauben[4] werde ich woll von keiner kranckheit geneßen; daß ist lautter hazart, den man kan in [425] dem leib nicht sehen, waß vorgeht, undt waß schon einem hilfft, schadt dem andern, undt ich bin persuadirt, daß die inwendige leiber der menschen eben so unterschiedtlich sein wie die gesichter, alßo waß einen salvirt, bringt daß ander umbs leben. Aber nichts geschicht, alß waß gott über unß vorsehen hatt, bin also getrost undt laße gott [walten]. Raht mein docktor mir etwaß, thue ich es, umb nicht geplagt zu werden. Aber weitter habe ich keine hoffnung, stelle alles gott heim. Von religion-sachen will ich nichts sagen, daß sein keine propo[s] de poste, gebe dem cardinal du Bois zu viel zu clossiren[5]. Ich bin fro, daß graff Degenfelt seine sachen außgemacht hatt. Die Sickingische müßen sehr interessirte leütte sein; daß finde ich abscheülich, daß gar keine generositet bey leütten von qualitet mehr zu finden ist; daß stundt doch woll. Daß ist woll naturlich, daß Churpfaltz denen mehr gnadt thut, die er nicht so lieb hatt. Aber ich findt doch, daß es ein glück vor graff Degenfelt ist, seine sach außgemacht zu haben undt ohn zang[6] undt streydt zu leben konnen. Aber ich muß auffhor[e]n, bin gar zu müdt. Adieu, liebe Louise! Ich behalte Eüch allezeit von hertzen lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Juli 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 424–425
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1340.html
Änderungsstand:
Tintenfass