Seitenbanner

Brief vom 16. Juli 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1344.


[429]

A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 16 Julli 1722 (N. 11).
Hertzallerliebe Louise, vergangen sontag bin ich mitt Ewer liebes schreiben von 29 Juni. no 48, erfrewet worden auß dem Schlangenbadt. Aber ehe ich drauff andtworte, muß ich Eüch sagen, daß ich Eüch bitte, Ewern secretarius zu dancken; den er ist gar fleißig, mir die teütschen zeitungen zu schicken. Mich wundert, daß ahn einem ort, wo alle jahr so viel menschen undt leütte hin kommen, alß daß Schlangenbadt ist, daß die posten nicht regullirt sein. Hir haben wir nun ein recht kaldt wetter, ich habe alle meine fenster zumachen müßen, undt, hette ich mich nicht geschämbt, hette ich feüer machen laßen. Der nordt-windt ist eben so scharff, alß wie im October, heütte. Daß wetter gefelt mir gantz undt gar nicht; ich glaube auch, daß es mich verhindert, wider zu meinen kräfften zu kommen; den ich bin noch immer in dem ellenden standt, wo ich geweßen, der eintzigen unterschiedt ist nur, daß ich keinen degoust mehr habe undt eßen kan. Man hatt mir heütte morgen wider eine medecin in grünen safft ahngebotten, ich habe es aber in gnaden blat abgeschlagen undt gesagt, daß daß eintzige mittel, wider zu kräfften zu kommen, were, fort zu fahr[e]n, zu eßen undt daß es gewiß were, daß, wen man mir jetzt den grünen safft wider zu [schlucken] geben, were es immanquable, daß es mir den apetit wider gantz benehmen [würde]. Monsieur Teray hatt gefunden, daß ich recht habe, undt er hatt mich gefragt, waß ich gewohndt war, zu thun, wen ich nicht eßen konte. Ich sagte, daß man mir wermet-wein[1] drincken machte; dabey ist es geblieben, man wirdt mir wermet-wein zu drincken geben. So baldt ich ihn werde genohmen haben, werde ich Eüch berichten, wie es mir bekommen. Ich bin recht froh, daß Ewere reiße ahngenehm geweßen; den daß ist gutt vor die gesundtheit. Mich wundert, daß Ihr lieber allein mitt einem jungen freüllen gefahr[e]n seydt, alß mitt Ewern niepcen. Wen Ihr mir von unßer teütschen eßen sprecht, daß solte mir eher meinen apetit wider herbey locken, alß der wermet. Die krepße deügen[2] [430] in der welt nicht hir, ich eße gar selten[3]. Daß findt ich gar eine lobliche manir, sein leben zu gewinen mitt stük[4]-schießen. Die landts-bettler seindt ordinarie große schelmen; es ist vor wenig jahren einer gerädert worden; so es schon einmahl geweßen, folgt immer den hoff auff einem eßel nach. Derselbe schelm war ein morder, hatt viel leütte mitt eygener handt ermort, stelte sich ahn, alß wen er vom eßel gefahlen were, rieff die, so vorbey gingen, ihn auß charitet zu helffen. Wen man zu ihm kam, hatte [er] ein meßer undt ein pfeyff, gab den ersten stich inß hertz, pfiff, da kamen die camerrahten undt stallen alles, waß die armen leütte hatten. Es ist ahngenehm, bekandten zu finden. Ewer niepce sohngen ist freylich noch zu jung, umb zu reißen. Waß ist daß vor eine fasson, daß Ihr nicht sagen dorfft, daß Ihr auß dem baadt kompt? Ist mein vetter Görgen noch bey Eüch, wen Ihr dießen brieff entpfangt, so macht ihm doch mein compliment! den ich hab ihn lieb. Aber es hatt 10 geschlagen, man treibt mich, zu enden. Biß sambstag werden[5] ich, so mir gott leben undt gesundtheit verleyet, werde ich biß sambstag dießen brieff außbeantwortten, nun aber nur sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb habe.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Juli 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 429–430
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1344.html
Änderungsstand:
Tintenfass