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Brief vom 18. Juli 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1345.


[430]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 18 Julli 1722 (N. 11).
Hertzallerliebe Louise, ich bin woll ein geplagte seel alle tag mitt den interuptionen, so mir taglich zufahlen, wen ich Eüch schreiben will. Heütte habe ich eine particulire audiantz von dem cardinal Acunia[1] gehabt, ein Portugais, der kompt von Rom undt geht wider nach Portugal. Der hatt mich lang wartten machen, hernach bin ich nach Madrit. Wie ich wieder kommen, habe meinen brieff ahn madame Dangeau [geschrieben]. Die ist nun bey ihre herrn brüder undt eine von ihren fraw schwestern; sie erwartten noch die fürstin von Nassau-Ussingen. Seytter 2 tagen gibt man mir wermut-wein morgendts einzunehmen; daß sterckt mich [431] mehr, alß der grüne safft, welchen ich abgeschlagen habe, weillen daß starcke purgiren mich zu sehr abmatt; ich finde aber, daß der wermet-wein mich stercket. Es ist ein Teütscher zu Paris, der macht alle jahr im herbst dießen wermet-wein, ist eben so gutt alß bey unß, findt recht, daß es mich sterckt undt die gar zu starcke vapeurs benimbt; seyderden auch seindt mir die schenckel nicht so abscheülich geschwollen, alß sie geweßen, mitt einem wort, ich bin wider beßer, aber gar übel geweßen. Aber hiemitt genung von der langweilligen materie, komme auff Ewer halbes schreiben, so ich letztmahl nicht habe außschreiben können. Meine mattigkeit ist mir allein von viellem verlohrenen bludt kommen undt daß man mich zu geschwindt undt offt drauff purgirt hatt; ahn so poßen bin ich nicht gewohnt. Ahn medecinen, noch aderläß werde ich mein leben weder glauben, noch vertrawen haben; daß hatt mir I. G. s. der churfürst, unßer herr vatter, noch ma tante, unßere liebe churfürstin, nicht gelernt[2]. Von meiner betrübnuß von Versaille[s] werde ich nichts mehr sagen; es ist aber betrübt, kinder ahnstatt raisonable menschen zu sehen, daß gibt kein trost. Vor Ewer guttes gebett, liebe Louise, dancke ich sehr; da habe ich mehr glauben undt vertrawen zu, alß durch die gantze apoteck. Wen alle eltern es mitt ihren ungezogenen kindern machten, wie der graff von Schönborn mitt seiner dochtern, würde man nicht so viel leichtfertige stücker sehen, alß man nun sicht. Ich weiß so woll, daß die printzessin von Sultzbach zu Schwetzingen ins kindtbett kommen, daß ich gevatterin dazu bin; were es lieber zu einem printzen geweßen. Ey freylich bin ich es, so gevatterin ist. Warumb solte es meines sohns gemahlin sein? Die käme überzwerg dazu. Die keyßerin Amelie ist auch mitt gevatter, wie mir der kleine secretarie Gravenbruch gesagt. Ewer schreibtaffelgen ist noch nicht auß meinem sack kommen, seyder ichs habe; ist gar artig, hatte nie keines so vorher gesehen. Aber da schlegt es 10 undt Ewer liebes schreiben ist vollig beantwortet, liebe Louise, bleibt mir nichts mehr überig, zu sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Juli 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 430–431
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1345.html
Änderungsstand:
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