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Brief vom 23. Juli 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1346.


[432]
St Clou den 23 Julli 1722 (N. 13).
Hertzallerliebe Louise, vergangen sontag habe ich Ewer liebes schreiben vom 6, no 49, auß dem Schlangenbadt woll entpfangen. Ich adressire allezeit meine schreiben auff Franckforth, liebe Louise! Den ich mir einbilde, daß sie sicherer so gehen werden; den auff der Parisser post weiß man nicht, waß Schlangenbadt ist; sehe doch, daß ich nicht übel gethan, weillen sie richtig ahnkommen. Es ist beßer, ein wenig spätter zu kommen, alß gar verlohren zu gehen. Es ist ein heßlich sach umbs alter, man kan sich nicht erhollen; etlich tage habe ich mich ein wenig beßer befunden auff den wermet-wein, so man mir geben, aber seyder vorgestern bin ich matter undt arger, alß nie. Ich gehe doch immer meinen schlenderian fort, alß wen mir nichts wehre, will dießen morgen nach Versaille[s], werde aber wie ordinari wieder hir zu mittag eßen. Geht es aber wie gestern, kan man mitt recht der fraw von Rotzenhaussen sprichwort cittiren, wie der wolff sprach, wie er schnacken aß undt sagte: Es geht klein her[1]; den der apetit ist mir wider gantz vergangen. Aber waß will man thun? Man muß woll gedult haben undt daß langweillige gespräch enden, nur daß noch sagen, daß daß brauchen[2] eben ist, waß mich so ellendt gemacht; jedoch wollen sie in 5 tagen wieder ahnfangen. Ich glaube, man wirdt mich endtlich durch daß vielle brauchen, so meiner natur so gar zuwider ist, mich endtlich so ellendt machen, daß ich nicht mehr werde auß dem bett kommen können. Die zeit wirdt lehren, waß drauß werden wirdt; ich bin zu allem bereydt, waß mir gott schicken will, wen ich nur nicht lang zu leyden haben mag. Aber es ist zeit, daß ich mich ahnziehe, den es ist schon ein viert[e]l auff 8te. Dießen nachmitt[ag] werde ich dießen bri[e]ff, ob gott will, außschreiben, undt erfahre ich etwaß neües zu Versaille[s], werde ichs Eüch berichten, nun aber eine lange pausse machen; den ich kan nicht eher wider schreiben, biß ich von Versaille[s] werde kommen sein.
Donnerstag, den 23 Julli, umb halb 7 abendts.
Ich bin umb halb 1 wieder von Versaille[s] kommen. Mein [433] enckel, der duc de Chartre[s], ist mitt mir zu mittag eßen kommen. Gleich nach dem eßen ist mein sohn kommen undt ein stündtgen bey mir geblieben, hernach ist er mitt seiner geselschafft zu mittag eßen gangen. Es war schon über 3, wie mein sohn auß meiner kammer ist. Hernach habe ich ein klein brieffgen ahn monsieur Harling geschrieben, hernach hatt man ins gebett [geläutet]. Wie ich auß dem gebett kommen, habe ich die alte marquisin de Béthune in mein cabinet gefunden, die hatt mich bißher auffgehalten undt alß von sachen gesprochen, so ich gar nicht verstehe. Ich habe es ihr hundert mahl gesagt, aber daß hatt nichts geholffen, ich habe daß langweillige gespräch von einem endt zum andern ahnhören müßen. Mein gott, wie langweillig seindt die leütte hir undt wenig zeit-vertreiblich! Aber ich kome wider auff Ewer liebes schreiben, wo ich heütte morgen geblieben war. Ich habe mich bißher gewehrt, umb nicht wider gepurgirt zu werden mitt dem grün[en] safft, den es ist gewiß, daß er mir bitter übel bekommen ist; aber mein docktor opiniatrirt sich drüber, will mitt aller gewalt, daß ich es in 4 tagen wider nehmen solle, muß es also woll geschehen laßen, umb nicht mehr geplagt zu werden. Wie es mir bekommen wirdt, werde ich Eüch, liebe Louise, berichten mitt wenig wortten; den einen großen brieff werde ich woll nicht schreiben können, meine schwachheit wirdt zu groß sein. Wir werden baldt sehen, waß drauß werden wirdt; ich werde Eüch nichts verhehlen. Ahn keine libertet von religion ist nicht zu gedenken, die pfaffen seindt zu verpicht darauff undt seyder der verfluchten constitution ärger, alß nie, undt ich kan mich in so sachen gar nicht mischen, den ich habe meine partie genohmen, mich in nichts in der welt zu mischen undt daß halte ich gar exact, lebe gantz allein vor mich dahin. Daß wirdt aber nicht hindern, liebe Louise, daß ich mich nicht Ewerer niepce sache ahnnehme, wen es zeit sein wirdt[3]. Es kan woll sein, daß ein impertinenter zele einen prevot schärpffer verfahren macht, alß seine ordre sein; aber hirin kan ich nichts thun, so sehr es mich auch jamert. Ich sehe woll, daß Ihr nicht wist, waß pfaffen sein undt wie unleydtlich mitt ihnen umbzugehen ist. Sie seindt wie teüffel gegen andere religionen, sie seindt sehr interessirt undt in denen sachen findt sich allezeit [434] interesse; dagegen zu sprechen, ist ihnen ins aug gegriffen. Meinem sohn ist gar nicht zu rahten, dieße ordre, so Ihr begehrt, zu geben; daß geht weitter, alß Ihr, liebe Louise, wist oder meint. Cardinal du Bois undt ich haben wenig commerse mitt einander. Daß der könig in Preussen es recomandirt, ist der beste weg; mir würde man es gar übel nehmen, wen ich mich drin mischen wolte. Ihr wist nicht, wie es hir ist; ich weiß es leyder zu woll. Hiemitt ist dießer brieff vollig beantwortet, bleibt mir nichts mehr überig zu sagen, alß das ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. Juli 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 432–434
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1346.html
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