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Brief vom 25. Juli 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1347.


[434]
St Clou den sambstag, 25 Julli 1722 (N. 14).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen donnerstag habe ich auff Ewer letztes liebes schreiben geantwortet, no 49; seyder dem habe ich nichts von Eüch entpfangen, alß nur bloß die gedruckte zeittungen. Ich habe noch 2 alte brieff von Eüch, so ich noch nicht beantwortet habe, undt gott weiß, ob ich Eüch heütte einen volligen brieff werde machen können; den gestern wurde ich so interompirt, daß ich erst umb halb 12 nach bett [gieng], konte nicht auff die helffte von der printzes von Wallis undt meiner dochter bri[e]ff andtwortten. Daß macht einem die gedult von monsieur de Grillon[1] üben. Die letzte interuption, so mir kamme, war unßere gutte hertzogin von Hannover; die kam en grand habit von Versaille[s], wolte, daß ich sie so sehen solte. Sie hatte recht, war recht woll gekleydt undt coiffirt, sahe auch viel junger auß, alß sie in der that ist, 2 jahr älter, alß ich bin, undt scheindt, meine dochter zu sein. Weillen ich kein neües schreiben von Eüch habe, will ich daß alte von no 41, den 2 Juni, beantwortten. Freyllich muß man oft mitt gewalt gedult haben; dieße experientz habe ich taglich, wens auch nur mitt meiner languissanten gesundtheit were. 4 tag ist mir der wermuht-wein über die maßen woll bekommen, hatte keine vapeurs mehr, meine schenckel undt füß wahren nicht mehr so starck geschwollen, ich fing [wi]der ahn, zu eßen undt ohne mühe zu gehen; aber auff einmahl in einer nacht hatt sich dießes [435] alles wider geendert, ich bin nun wider so ellendt, alß ich vorher war, habe füß undt schenckel geschwollen, keinen apetit mehr undt viel vapeurs undt krämpff, daß ist gar nichts ahngenehmes. Im ahnfang der andern woch will mich monsieur Teray wider mitt dem grünen safft purgiren. Ich bin gar nicht persuadiret, daß in der schwachheit, worinen ich nun bin, daß mir daß starcke purgiren woll bekommen[2] kan. Aber thue ichs nicht, wirdt man mich immer plagen, muß mich also woll drinen ergeben; es wirdt mir doch nichts begegenen, alß waß gottes willen ist, in welchem[3] ich mich gantz ergebe. Liebe Louise, ich bin Eüch sehr verobligirt, mir gesundtheit undt vergnügen zu wünschen; daß erste kan geschehen, aber daß zweytte ist durchauß ohnmöglich; in dem alter, wo ich bin, ist gar nicht dran zu gedencken. Alles hir hatt sich nicht darnach gethrehet, meines sohns unglücklicher heüraht hatt mir alles vergnügen ohnmöglich gemacht[4] undt durch deß königs todt habe ich alles amussement verlohren undt zeit-verdreib, muß also nur in gar langer weill undt unahngenehmes leben, insonderheit seyder man mir meine gesundtheit verdorben mitt der besten intention von der welt, aber nichts desto weniger ist meine gesundtheit dahin undt ich leyde tag undt nacht. Aber man muß hoffen, das es mir in jener welt woll bekommen wirdt. Ohne meiner unglücklichen aderlaß were ich gesundt. Aber gott hatt es so gewolt, dem muß man still halten. Gott erhalte Eüch, liebe Louise, lange jahr[e]n bey Ewern gutten gesundtheit undt ruhe! Daß wirdt mir ein trost sein, liebe Louise! Wie ist es möglich, liebe Louise, daß Ihr den bittern, stinckenden caffé lieben könt? Er richt jahr[5] wie der stinckende ahtem von einem rohtkopffichten menschen[6]. Caffé würde mich viel mehr schweygen, alß reden, machen, müste flenen, wen man mich zwingen solte, solches zu nehmen. Thé, noch chocolat kan ich auch nicht vertragen[7], doch eckellen mich dieße zwey nicht so sehr, alß daß caffé. [Ich werde Euch nichts verschweigen,] liebe Louise, sondern alles genaw sagen, wie es mitt mir stehet. Aber bißher kan [436] ich mich nichts gutts berühmen, alles ist gar schlapies, alles wirdt zu gall in meinem leib. Ich glaube nicht, daß es lang gutt thun kan, aber da bekümere ich mich gar wenig umb. Kein fieber habe ich nicht, ob ich zwar alß einen gutten undt einen boßen tag habe. Es seindt, waß man hir vapeurs heist, bin schwach, kan nicht gehen, muß immer entweder nießen oder gaben[8]. Vor Ewern gutten wunsch, liebe Louise, daß meine verlohrne kräfft[e]n wieder kommen mögen, dancke ich Eüch sehr. Den gutten tag kan ich eßen, aber den boß[e]n ist mir alles verlaydt. Man mag mir von meiner unpaßlichkeit reden oder nicht, so lest es sich tag undt nacht woll fühlen. Aber ich rede gar gern von waß anderst, den ich gestehe, daß klagen undt lamantiren mein sach gantz undt gar nicht ist[9]. Ewere schreiben entpfange ich, wie Ihr segt[10], gar sicher, liebe Louise! Daß müßen woll dume teüffel sein, so nicht wiß[en], waß Madame ist; daß hatt mich lachen machen, man solte ihnen nur sagen, sie solten in Franckreich schicken, da wüste man gar woll, waß Madame seye. Ihr werdet durch meine andtwort ersehen haben, liebe Louise, ob ich ihn entpfangen habe, den ich marquire allezeit die schreiben, so ich von Eüch entpfange. Dießer brieff wirdt Eüch ohne zweyffel wider zu Franckfort ahntreffen. Alle sawerbrunen seindt so, daß man auff- undt abreist. Die Fabricy[11], so Ihr im Schlangenbaadt habt, seindt sie dem alten professer verwandt, so zu Heydelberg war undt von welchen I. G. s. unßer herr vatter so viel gehalten undt welcher der[12] herrn baron von Seltz precepter geweßen[13]? Wie ich sehe, so habt Ihr doch große geselschafft im baadt gehabt, aber große geselschafft undt gutte geselschafft seindt zweyerley. Seyder wen seindt die Stadion graffen[14]? Zu meiner zeit wahren sie es noch nicht. Die printzes de Conti ist eben so lustig, alß wen sie ihren proces nicht verlohren hette. Große tugenden muß man bey den printzessinen du sang außer madame la princesse nicht suche[n], sie piquiren sich nicht hirvon. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort, ich muß ein [437] wenig waß eßen, nachdem ich Eüch werde versichert haben, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Juli 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 434–437
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1347.html
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