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Brief vom 30. Juli 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1348.


[437]
St Clou den 30 Julli 1722 (N. 15).
Hertzallerliebe Louise, dieße woche habe ich gar nichts von Eüch entpfangen; daß wirdt mich doch nicht hindern, Eüch zu entreteniren undt in weniger eyll, alß vor 8 tagen, den ich werde heütte nicht nach Versaillen, den man hatt waß in meinen stall zu machen. Meine pferdt können dießen morgen nicht auß dem stall, man hatt alle daß pflaster vor der thur abgehoben, das wirdt erst dießen abendt wider fertig sein solle[n]. Ah, da entpfange ich zwey von Ewern lieben schreiben, liebe Louise, von Franckforth, eines vom 16, no 50, undt eines vom 18, no 51. Ihr habt gar woll gethan, liebe Louise, mir daß erste nicht zu excammottiren. Da werdt ich meine andtwort bey ahnfangen undt aber nichts mehr auff Ewer liebes schreiben vom 23 May, no 38, sagen, wie ich heütte morgen im sin hatte, weillen ich sonsten kein ander schreiben von Eüch hatte. Nun ich aber 2 neüe habe, will ich nichts mehr von dießem alten sagen, sondern komme auff daß vom 16 dießes monts, bin fro, daß Ihr meine schreiben so richtig in Schlangenbaadt entpfangen habt. Mein desgoust undt Widerwillen im eßen hatt mich nur 4 tag verlaßen, ist aber arger wider kommen, alß nie; dazu wehrt noch mein gutter undt boßer tag, bin noch immer matt. Waß entlich auß dießem allem werden wirdt, wirdt die zeit lehren; ich bekümere mich wenig drumb, der allmachtige mags mitt mitt[1] machen, wie es ihm gefelt. Monsieur Teray ist persuadirt, daß mein desgoust undt schwachheit noch von zu vielle gall kompt, drumb will er mich wider mitt dem grünen safft sontag undt montag purgiren. über 8 tag werde ich Eüch, liebe Louise, berichten, wo mir gott biß dahin daß leben verleyet, wie es abgangen. Es ist aber zu langweillig, lang davon zu reden. Lamantiren ist mein stiehl gantz undt gar nicht, haß nichts mehr, alß von meiner gesundtheit zu klagen, glaube, daß es andere eben so langweillig vorkommen muß, alß mir selber. Drumb will ich von waß anderst sprechen. Ich [438] müste ja gantz kindisch geworden sein, liebe Louise, wen ich in meinem alter nicht wüste, mich in den willen gottes zu ergeben. Von I. L. mein vetter, landtgraff Carl von Philipsthal, will ich nichts sagen, weillen ich in Ewerm 2ten schreiben schon geleßen, daß Ihr ihm meinen brieff geschickt habt, liebe Louise! Danckt Ewer kleine niepce, mein patgen, daß daß artliche kindtgen mir hatt schreiben wollen! Ich weiß ihr recht danck. Wen die kinder lustig sein, seindt sie gewiß nicht krank; den so baldt sie kranck sein, werden sie gritlich. Ich bitt Eüch, liebe Louise, sagt mir doch, ob es war ist, wie man mir versichern will, daß Churpfaltz daß schloß von Heydelberg wieder gantz zu recht machen lest! Ich habe mühe, es zu glauben. Daß ist woll wahr, daß man woll weiß, wen man von einander geht, aber nicht, wen man sich wider sicht. Wüste man gewiß, daß man sich wieder sehen würde, würde man nicht betrübt sein, wen man von einander geht. Aber ich finde, daß man sehr polie zu Franckforth [ist], sogleich zu Eüch nach Ewerer reiße zu kommen. Daß höre ich gern, wen leutte von qualitet sich nach ihrem standt auffführen undt höfflich sein. Alle weill verzehlt man mir eine dolle historie von Versaille[s]. Zwey damen, so geschweyen sein, eine ist eine dolle humel, die ander aber eine wollgezogene dame, die dolle hatt ihre geschwey verführen wollen, hatt sie nachts spatziren geführt undt im holtz haben sich zwey cavallier gefunden; die wolgezogene hatt nicht bleiben wollen, ist zu ihrer mutter geloffen undt hatt ihr mitt threnen geklagt, wie ihre geschwey sie hatt verführen wollen. Die mutter ist mitt der dochter zum schwigervatter gangen, ahn welchem sie ihr klagte abgelegt; der schwigervatter hatt seiner elsten schwigerdochter vatter hollen laßen undt eine assamblée von verwandten gemacht, haben alle resolvirt, die galante dame in ein closter zu schicken, welches heütte morgen geschehen. Aber umb die sache zu verblümlen, gibt man vor, daß der schwigervatter ihr verbotten hatte, die nacht groß spiel zu spiellen undt daß sie ihm ungehorsam geweßen, daß er sie deßwegen ins closter geschickt hette. Sie hatt es lengst verdint. Aber waß will man sagen? Bon chien chasse de race[2]; die man weg [439] geschickt, hatt [eine] ertzhur, met verlöff, zur mutter gehabt, undt die ihre geschwey ahngeklagt, ist woll erzogen bey einer gar ehrlichen mutter; da sicht man doch den unterschiedt von, waß woll oder übel erzogen ist. Ich bin unßerer lieben printzes von Wallis woll verobligirt, so sehr in sorgen [für mich zu sein]; aber Ihr solt beyde gedencken, daß, wen man über die 70 jahr, ist wenig gutte gesundtheit zu hoffen undt man solte vielmehr gedenken, daß das endt nahe ist undt seine parthey darauff nehmen. Man solle sich sehr in Englandt von der occulation[3] desabussiren[4]. Waß ist ein beysaß[5]? Daß weiß ich nicht. 103 alt zu werden, wünsche ich mir gantz undt gar nicht, bitte vielmehr gott den allmachtigen, mich davor zu behütten. Man hort von nichts, alß morden undt stehlen. Sie haben in einer capell in allen ecken, auch auff dem altar, ihre nohtorfft abgelegt, dabey ein zettel gelaßen, daß, wo man nicht auffhoren wolte, zu radern undt zu hencken, würde man Paris in 4 örter ahnzünden[6]. Man hatt in kelle[r]n tonen pulver undt fagots[7] gefunden, so man dazu bereydt hatt. Ich glaube, die alte schlang, der teüffel, ist von den ketten loß kommen. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Juli 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 437–439
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1348.html
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