[437]
St Clou den 30 Julli 1722 (N. 15).
Hertzallerliebe Louise, dieße woche habe ich gar nichts von
Eüch entpfangen; daß wirdt mich doch nicht hindern, Eüch zu
entreteniren undt in weniger eyll, alß vor 8 tagen, den ich werde
heütte nicht nach Versaillen, den man hatt waß in meinen stall zu
machen. Meine pferdt können dießen morgen nicht auß dem stall,
man hatt alle daß pflaster vor der thur abgehoben, das wirdt erst
dießen abendt wider fertig sein solle[n]. Ah, da entpfange ich zwey
von Ewern lieben schreiben, liebe Louise, von Franckforth, eines
vom 16, no 50, undt eines vom 18, no 51. Ihr habt gar woll
gethan, liebe Louise, mir daß erste nicht zu excammottiren. Da werdt
ich meine andtwort bey ahnfangen undt aber nichts mehr auff Ewer
liebes schreiben vom 23 May, no 38, sagen, wie ich heütte morgen
im sin hatte, weillen ich sonsten kein ander schreiben von Eüch
hatte. Nun ich aber 2 neüe habe, will ich nichts mehr von dießem
alten sagen, sondern komme auff daß vom 16 dießes monts, bin
fro, daß Ihr meine schreiben so richtig in Schlangenbaadt
entpfangen habt. Mein desgoust undt Widerwillen im eßen hatt mich
nur 4 tag verlaßen, ist aber arger wider kommen, alß nie; dazu
wehrt noch mein gutter undt boßer tag, bin noch immer matt. Waß
entlich auß dießem allem werden wirdt, wirdt die zeit lehren; ich
bekümere mich wenig drumb, der allmachtige mags mitt mitt
[1] machen,
wie es ihm gefelt. Monsieur Teray ist persuadirt, daß mein
desgoust undt schwachheit noch von zu vielle gall kompt, drumb will
er mich wider mitt dem grünen safft sontag undt montag purgiren.
über 8 tag werde ich Eüch, liebe Louise, berichten, wo mir gott
biß dahin daß leben verleyet, wie es abgangen. Es ist aber zu
langweillig, lang davon zu reden. Lamantiren ist mein stiehl gantz
undt gar nicht, haß nichts mehr, alß von meiner gesundtheit zu
klagen, glaube, daß es andere eben so langweillig vorkommen muß,
alß mir selber. Drumb will ich von waß anderst sprechen. Ich
[438]
müste ja gantz kindisch geworden sein, liebe Louise, wen ich in
meinem alter nicht wüste, mich in den willen gottes zu ergeben.
Von I. L. mein vetter, landtgraff Carl von Philipsthal, will ich nichts
sagen, weillen ich in Ewerm 2ten schreiben schon geleßen, daß Ihr
ihm meinen brieff geschickt habt, liebe Louise! Danckt Ewer kleine
niepce, mein patgen, daß daß artliche kindtgen mir hatt schreiben
wollen! Ich weiß ihr recht danck. Wen die kinder lustig sein,
seindt sie gewiß nicht krank; den so baldt sie kranck sein,
werden sie gritlich. Ich bitt Eüch, liebe Louise, sagt mir doch, ob es
war ist, wie man mir versichern will, daß Churpfaltz daß schloß
von Heydelberg wieder gantz zu recht machen lest! Ich habe mühe,
es zu glauben. Daß ist woll wahr, daß man woll weiß, wen man
von einander geht, aber nicht, wen man sich wider sicht. Wüste
man gewiß, daß man sich wieder sehen würde, würde man nicht
betrübt sein, wen man von einander geht. Aber ich finde, daß man
sehr polie zu Franckforth [ist], sogleich zu Eüch nach Ewerer reiße
zu kommen. Daß höre ich gern, wen leutte von qualitet sich nach
ihrem standt auffführen undt höfflich sein. Alle weill verzehlt man
mir eine dolle historie von Versaille[s]. Zwey damen, so geschweyen
sein, eine ist eine dolle humel, die ander aber eine wollgezogene
dame, die dolle hatt ihre geschwey verführen wollen, hatt sie nachts
spatziren geführt undt im holtz haben sich zwey cavallier gefunden;
die wolgezogene hatt nicht bleiben wollen, ist zu ihrer mutter
geloffen undt hatt ihr mitt threnen geklagt, wie ihre geschwey sie
hatt verführen wollen. Die mutter ist mitt der dochter zum
schwigervatter gangen, ahn welchem sie ihr klagte abgelegt; der
schwigervatter hatt seiner elsten schwigerdochter vatter hollen laßen undt
eine assamblée von verwandten gemacht, haben alle resolvirt, die
galante dame in ein closter zu schicken, welches heütte morgen
geschehen. Aber umb die sache zu verblümlen, gibt man vor, daß
der schwigervatter ihr verbotten hatte, die nacht groß spiel zu
spiellen undt daß sie ihm ungehorsam geweßen, daß er sie
deßwegen ins closter geschickt hette. Sie hatt es lengst verdint. Aber
waß will man sagen? Bon chien chasse de race
[2]; die man weg
[439]
geschickt, hatt [eine] ertzhur, met verlöff, zur mutter gehabt, undt
die ihre geschwey ahngeklagt, ist woll erzogen bey einer gar
ehrlichen mutter; da sicht man doch den unterschiedt von, waß woll
oder übel erzogen ist. Ich bin unßerer lieben printzes von Wallis
woll verobligirt, so sehr in sorgen [für mich zu sein]; aber Ihr solt
beyde gedencken, daß, wen man über die 70 jahr, ist wenig gutte
gesundtheit zu hoffen undt man solte vielmehr gedenken, daß das
endt nahe ist undt seine parthey darauff nehmen. Man solle sich
sehr in Englandt von der occulation
[3] desabussiren
[4]. Waß ist ein
beysaß
[5]? Daß weiß ich nicht. 103 alt zu werden, wünsche ich
mir gantz undt gar nicht, bitte vielmehr gott den allmachtigen,
mich davor zu behütten. Man hort von nichts, alß morden undt
stehlen. Sie haben in einer capell in allen ecken, auch auff dem
altar, ihre nohtorfft abgelegt, dabey ein zettel gelaßen, daß, wo
man nicht auffhoren wolte, zu radern undt zu hencken, würde man
Paris in 4 örter ahnzünden
[6]. Man hatt in kelle[r]n tonen pulver
undt fagots
[7] gefunden, so man dazu bereydt hatt. Ich glaube, die
alte schlang, der teüffel, ist von den ketten loß kommen. Adieu,
liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch
allezeit lieb.