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Brief vom 1. August 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1349.


[439]

A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den sambstag, 1 Augusti 1722, umb halb 7 morgendts (N. 16).
Hertzallerliebe Louise, ich forchte sehr, daß ich Eüch heütte nur einen gar kleinen brieff schreiben werde undt nicht auff Ewer [440] liebes schreiben vom 18 Julli werde andtwortten können, wie ich es wünsche; den umb halb 9 werde ich nach Paris, geraht ins Val-de-Grace zu meiner enckellin, der printzes, abtißin von Chelle[s] wolt ich sagen. Von dar werde ich au Port-Royal zu der jungen printzes de Conti, von dar ins Palais-Royal, wo ich mitt mein[en] damen undt enckellen zu mit[t]ag eßen werde. Nach dem eßen werde eine particullire audientz von zwey ambassadeurs von Venedig haben; den einen kene ich gar woll, ist schon einmahl ambassadeur hir geweßen, heist Diepoli[1], gar ein gutter, ehrlicher man; den andern solte ich mehr kenen, den er ist hir in Franckreich erzogen, ein Foscarini, war hir im col[l]ege; ich habe ihn aber damahlen nicht gesehen. Sein oncle ist auch ambassadeur hir geweßen. Nach dießer audientz werde ich aux Carmelitten, von dar wider ins Palais-Royal, wo ich meine enckellen undt mademoiselle de la Rochesurion[2] in die ittalliensche commedie [führen] werde, hernach wieder hieher, gar wenig eßen undt den zu bett, sprach jene brautt. Ich werde aber nicht woll schlaffen, weillen ich morgen undt übermorgen den grünen safft schlucken muß, welches ich bitter ungern thue, wirdt mich aber auffs neü abscheülich abmatten. Aber waß will ich thun? Wen man bey den wölffen ist, muß man mitt ihnen heüllen. Da schlegt es eben 7 uhr, aber ich muß Eüch doch noch ein wenig entreteniren, liebe Louise! Ihr werdet doch dieße post nicht ohne mein schreiben sein. Es ist eine verdrießliche sach, daß die post so unrichtig geht, aber es stehet nicht zu endern, also nichts davon zu sagen. Der Augst-mont fengt recht kalt ahn, wie im herbst; daß wirdt sawern wein geben. Ich glaube, daß die gantz natur verkehrt ist. Man hört abscheülich sachen von mort, dieberey undt desbeauchen. Aber da rufft man mich, umb mich ahnzuziehen. Biß donn[e]rstag, wo mir gott daß leben verleyet, werde ich Eüch verzehlen, wie mein reißgen abgangen, nun aber nur versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalt[e], lieb[e] Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. August 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 439–440
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1349.html
Änderungsstand:
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