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Brief vom 5. September 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1359.


[459]
St Clou den 5 September 1722 (N. 23).
Hertzallerliebe Louise, vorgestern habe ich Ewer liebes schreiben vom 25 Aug[usti], no 61, [empfangen]. Aber Ihr habt Eüch, wie mich deücht, im dattum verschri[e]ben; den Ihr dattirt von F[rank]fort undt ich sehe doch, daß Ewer schreiben noch von Heydelberg ist, weillen Ihr, liebe Louise, gleich im ahnfang Ewers schreiben sagt: Vorgestern habe ich uber Franckfort E. K. H. allergnäd[ig]st vom 13 Aug., no 19, etc. entpfangen. Daß weist mir ja, daß Ihr noch zu Heydelberg müst sein, oder auffs wenigst geweßen sein, wie Ihr mir geschrieben. Ich will Eüch, liebe Louise, nichts mehr von meiner gesundtheyt sprechen, biß ich mich recht wieder beßer befinde; den daß betrübt Eüch, liebe Louise, wen ich Eüch sage, in welchem standt ich noch bin, aber doch gar ruhig undt getrost, erwartte mitt gedult, waß gott der allmächtige mitt mir vorhatt. Mein husten undt schnupen ist geschwindt vergangen, vom überigen will ich nichts sagen, alß wens zeit sein wirdt. Alte weiber, wie ich bin, müßen lang ihre schwachheit schlepen. Vor alle Ewer gutte wünsche dancke ich Eüch gar sehr, aber, liebe Louise, wie unßer liebe churfürstin s. alß pflegt zu sagen, unßer herrgott wirdt nichts neües vor mich machen. Ich muß den lauff der natur folgen. Ich dancke Eüch sehr vor alle gutte wünsche zu unßer mademoiselle de Beaujolois heüraht. Ihr infantgen ist ein jahr jünger, alß sie; also wen sie in Spanien kommen wirdt, wirdt ihr herr 7 undt sie 8 jahr alt sein, also mitt einander 15 jahr machen. Sie ist possirlich zu sehen, will nun die stämige agiren, ist wie ein groß mensch, macht mich lachen. Aber waß mich recht jamert, ist ihr jüngstes schwestergen; den die ist in eine rechte melancoley gefallen, seyder sie weiß, daß sie geschieden werden werden. Daß arme kindt ist in einer melancoley, daß ich fürchte, daß sie gantz kranck drüber werden wirdt. Ich habe mein leben keine kinder gesehen, so sich so hertzlich lieben wie dieße zwey. Es ist just, liebe Louise, waß mir fehlt, nehmblich die stärcke; den ich bin so matt, daß ich keinen fuß vor den andern stellen kan. Es ist nicht so sehr von schwachheit, alß vapeurs undt kra[m]pff, so mich gleich überfallen undt alle krafften benehmen. Aber es ist nun zeit, mich ahnzuziehen. [460]
Sambstag, den 5 September, umb 7 abendts.
Ich bin umb 6 wieder von Madrit kommen, habe unßere gutte hertzogin von Hannover unterwegens begegnet, die hatt mich biß her wieder begleydt undt ist eine gutte halbe stundt bey mir geblieben. Hernach ist madame la duchesse kommen, die ist biß jetzt geblieben, derowegen schreib ich Eüch so spät, liebe Louise! Gleich nach dem eßen hatte ich gehofft, Eüch wieder zu schreiben konnen, allein der schlaff hatt mich überwogen, habe schlaffen müßen, biß die kutschen kommen sein. Aber es ist auch zeit, daß ich wider auff Ewer liebes schreiben komme. Ich war heütte morgen geblieben … Bißherr ist es gottes wille noch nicht, liebe Louise, daß ich wieder zu krafften komme, muß mitt gedult erwartten, waß der allmachtige mitt mir vor hatt, bekümere mich gar nicht drumb, waß es auch sein mag, es sey zum leben oder zum todt. Ich ergebe mich offt deß tags in den willen gottes mitt leib undt seel, bin im überigen ohne sorgen undt erwarte, waß gott mitt mir machen will. Mademoiselle de Beaujollois ist erst 7ben jahr alt, ihr infant nur 6 jahr. Ehe sie beysamen sein können, müßen über 11 oder 12 jahr vergehen. Da segt[1] Ihr, liebe Louise, ob es moglich sein kan, daß ich ihre kinder erleben werde; ich wünsche es auch nicht. Ich bin fro, daß Ihr so woll zu Schwetzingen bey den für[st]lichen undt churfürstlichen personnen seydt entpfangen worden. Gott gebe aber, das es einen gutten nachdrück haben mag! Ich bin Churpfaltz woll verobligirt, [sich] meiner so gar guttig zu erinern. Die plan von Manheim undt Schwetzingen werden mich sehr amussiren, aber auch manchen seüfftzer kosten, indem es mich ahn die gutten alten zeitten erinern wirdt. Aber der churfürst zu Pfaltz ist gar zu demütig, sich zu meinen armen geschwollen[en] füßen zu legen. Aber da schlegt es 9, ich muß, umb mein regime zu folgen, waß eßen, kan Eüch also, liebe Louise, in aller eyll nicht mehr sagen, alß daß ich Eüch hir bey eine kirbe von St Clou [schicke]; wünsche, daß es Eü[c]h gefahlen mag. Mich deücht, Ihr habt keinen rubis balet[2]. Daß schachtelgen ist a la m[o]de; daß seindt dorff-kirben. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt bebehalte Eüch allezeit recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. September 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 459–460
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1359.html
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