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Brief vom 17. September 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1362.


[462]
St Clou den donnerstag, 17 September, 1722 (N. 32).
Hertzallerliebe Louise, vergangen montag habe ich Ewer liebes schreiben vom lieben, gutten, ehrlichen Heydelberg vom 8 September, no 65, [empfangen], werde gleich hiemitt drauff andtwortten. Mich deücht, unßere brieffe gehn nun zimblich woll; ich entpfange aber die, so von Heyde[l]berg kommen, viel geschwinder, alß die über Franckforth gehen. Man hatt mich mitt den remedien de precaution, wie sie es hir heißen, schir umbs leben gebracht; erstlich die verfluchte aderläße, so mich so viel bludt hatt verliehren machen; hernach die 6 jus, so mich erschrecklich purgirt, haben mich so abgematt undt die gall so auffrührisch gemacht, daß ich endtlich eine braffe gelbsucht bekommen. Es ist mir just gangen wie in der commedie vom medecin malgré luy[1], wen er seine krancke fragt: Manges vous bien, dormes vous bien, alles vous bien, ou [463] vous saves? Wie dieß mitt ouy beantwortet wirdt, sagt S[g]anarelle: He bien, je vous donneres quelque chose qui vous ostera tout cela[2]. So ist es mir eben [gegangen]; den ich war gantz gesundt, wie man mir zur ader gelaßen, undt alle die remedien die haben mir erstlich alle kräfften undt apetit benohmen, mich recht ellendt gemacht. In dem letzten korbel-safft habe ich so erschrecklich gelitten undt es hatt mir die gall so gar auffrührisch gemacht, macht, daß mir eine gelbsucht davon komen von haubt biß zu füßen, auch in den augapffellen, daß hatt mich erschrecklich abgematt. Seyder ich aber alle daß lumpen-werck abgeschafft undt declarirt, daß ich die überige 10 tag den safft nicht nehmen wolle, undt mich starck dagegen opiniatrirt undt gesagt, daß ich nichts mehr von dem apotecker-zeüg nehmen undt gar nichts mehr, alß den elexir von Garus, seyder ich dieße resolution gefast undt fest gehalten, vergebt mir allgemach die gelbsucht, habe nicht mehr so viel vapeurs, [als] ich gehabt, undt finde mich starcker, alß ich geweßen. Aber mitt dem apetit geht es noch schlegt her, kan auch noch nicht woll gehen, den meine füß undt schenckel seindt sehr geschwollen. Garus elexir hatt daß, es arbeydt sehr langsam, geht aber sicher. Es ist nicht zu sagen, wie viel leütte durch dießen elexir seindt courirt worden. Waß auß mir werden wirdt, wirdt die zeyt lehren, aber es ist gewiß, daß man mich bludts-übel mitt der frantzöschen moden de precotion[3] zugericht hatt. Ich dachte woll, daß es so hergehen würde; den ich weiß, wie wenig mein pfaltzischer magen remedien vertragen kan, habe der fraw von Rathsamshaussen von wort zu wordt vorher gesagt, wie es gehen würdte; aber [weil] ich mich [nicht] wolte plagen laßen, habe ich lieber gethan, man[4] man gewolt, habe doch dagegen protestirt. Nun können sie doch nicht leügnen, daß ich recht gehabt habe, gestehen es auch. Aber es wirdt mir nichts geschehen, alß waß der allmachtige über mich vorsehen hatt, erwarte also mitt gedult, waß drauß werden wirdt. Man hort überall von viel krancken nun; mein enckel hatt durch seine eygene schuldt daß 3tägige fieber, geht ins balhauß, split sich gantz in schweyß, lest den schweiß auff sich [464] eintruckenen, geht umß läger[5] undt bleibt den gantzen abendt in der nachtlufft. Daß fieber ist ihm gleich ahngestoßen. Gott gebe nur, daß es nicht schlimer werden mag! Die fraw von Rotzenhaussen war gestern auch ahn ihrem 3ten acces vom 3tagigen fieber; daß acces ist starck geweßen, der frost hatt 4 gantzer stundt gewehrt undt die hitze 5 stundt. Man hatt ihr heü[te] quinquina geben, wir werden sehen, ob es ihr [das fieber] vertreiben wirdt. Aber ich muß mein[e] pausse machen; dießen nachmittag werde ich außschreiben.
Donnerstag umb 7 uhr abendts.
Es ist schon eine gutte halbe stundt, daß ich von Madrit kommen bin, undt mehr, ich habe aber viel damen hir gefunden, daß ich nicht eher, alß nun, habe wieder zum schreiben gelangen können. Nun aber will wieder auff Ewer liebes schreiben zu kommen[6], wo ich heütt[e] morgen geblieben war. Es scheindt, liebe Louise, daß gott der allmächtige Ew[e]r undt alle frome Pfältzer gebett erhöret vor mich; den es ist gewiß, daß ich beßer bin, alß ich geweßen, undt zu hoffen habe, daß mich der elexir von Garus nicht schlimer tractiren wirdt, alß den marechal de Villar[s][7]. Heütte habe ich zum ersten mahl ahngefangen, wieder waß zu eßen, schir auff Teütsch; erstlich habe ich ein gutt stück hammelflei[s]ch mitt gelben rüben geßen undt zimblich woll von einem gebrattenen haßen m[i]tt einer süßen sauce. Seyder 4 mont undt einen halben habe ich nicht so viel geßen, alß heütte; auch habe ich erschrecklich abgenohmen seyder meiner unglücklichen aderläß, habe auch 4 basquen[8] undt 6 fischbein abgenohmen, habe alß dran gedacht, wie [wenig] die schiltkrotten von der Ludwig-see [aßen, die ich] in meiner camer zu Heydelberg hatte. Ey, liebe Louise, ich [müste] woll in einem gar ellenden standt sein, wen ich Eüch nicht allezeit mitt eygener handt meinen zustandt berichten solte. Ich bin I. L. der pfaltzgräffin von Sultzbach über die maßen verobligirt, so gar güttig vor meine gesundtheit zu sorgen; aber ich kan Eüch nicht bitten, meine danksagunge ganz dinstlich davor abzulegen, weillen [465] dießer brieff Eüch wider zu Franckforth finden [wird]. Kein frembder docktor würde hir reussiren, will also dem docktor Bruner[9] die mühe nicht geben, her zu kommen. Ich habe gewiß den besten docktor, den man haben kan, wolte dießem ehrlichen man den chagrin nicht ahnthun, einen andern docktor hollen zu laßen. Es ist nicht außzusprechen, wie jalous die docktoren von einander sein; daß bringt manches umbs leben. Unter unß gerett, so hatt I. G. s. unßer herr vatter mir alles vertrawen von alle docktoren benohmen, vertrawe nicht mehr[10] auff einen gutten, trewen freündt, wie der gutte, ehrliche monsieur Polier[11] war, alß alle docktoren von der welt. Daß ist woll gewiß, daß all mein ellender standt von nichts anderst kompt, alß von der unglücklich aderlaß undt daß viele purgiren. Hette ich noch die 10 tag den körbel-safft genohmen, wie man gewolt, weret Ihr nun in trawer undt ich in meiner ewigen ruhe zu St Denis, wo ich doch heütte oder morgen hin muß. Ich versichere Eüch, liebe Louise, daß Ihr beßer von meiner k[r]anckheit judicirt, alß mancher docktor. Aber daß alles hilfft zu nichts. Worumb solte ich ich[12] vexiren können? Daß bin ich gewo[h]nt undt werde es thun, so lang ich lebe. Zu glauben, liebe Louise, daß man in dießer welt ohne sorgen undt chagrin leben konne, daß wer ein großen[13] irthum, liebe Louise! Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben vollig beandtwort. Man treibt mich nach bett, werde also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch bitte, die fehler dießes brieff zu endtschuldigen, kan ihn ohnmoglich überleßen, bin undt bleibe biß ahn mein endt, hertzallerliebe Louise, allezeit vor Eüch, wie ich Eüch so offt versprochen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. September 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 462–465
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1362.html
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