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Brief vom 26. September 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1365.


[467]
St Clou den 26 September 1722 (N. 35).
Hertzliebe Louise, gott gebe, daß ich heütte einmahl einen brieff von einer raisonablen taille schreiben mag! Aber ich zweyffle dran, den dießen gantzen nachmittag werde ich nicht schreiben können. Den umb 2 uhr werde ich eine audientz haben von den ambassadeurs von Venedig, hernach werde ich nach Madrit zu Chausseray[e], wo ich biß 5 bleiben werde, [werde erst] gegen 6 woll wieder ahnfangen, zu schreiben. Aber gott weiß, wie offt ich werde interompirt werden; den daß fehlt mir selten hir, ich werde geplagt wie eine verdampte seelen. Daß handtwerck von, Madame in Franckreich zu sein, ist warlich weder lustig noch ahngenehm, sondern allezeit mühseelig undt verdrießlich; man wirdts auch bludts-müde. Aber last unß von waß anderst reden! Diß führt einen zu weitt in den text. Die fraw von Lülß hatte mir geschrieben gehabt, wie ahngenehm Eüch mein letztes schreiben geweßen, so Ihr vor Ewere abreiß von Heydelberg entpfangen. Daß wirdt mich noch mitt großem fleiß apliciren, keine post nie zu verseumen undt Eüch so fleißig zu schreiben, alß ichs Eüch, liebe Louise, versprochen habe. Ich habe mir doch nicht vorzuwerffen, seyder ichs versprochen, eine eintzige post verfehlt zu haben; daß Ihr aber alle meine schreiben nicht entpfangen, liebe Louise, ist der post undt nicht meine schuldt. Gottes hülff habe ich hoch von nöhten, der allmachtige stehet mir auch bey, mehr, alß ich wehrt bin. Er gibt seinen seegen zu dem elexir von Garus, bey welchem ich mich ohnvergleichlich beßer befinde, alß bey alles, waß man mir gebraucht. Ich nehme es mitt lust, ist ahngenehm zu nehmen. Der gutte, ehrliche man, der docktor Garus, hatt mir gestern sagen laßen, seine schenkel wehren noch zu schwach, zu mir zu kommen können, allein er wolle doch allezeit vor mich leben; macht wieder neüen elexir vor mich undt steht nachts umb 3 uhr auff, umb dran zu arbeytten, daß es gutt undt recht mag werden, ist woll der beste alte man von der welt. [468] Es ist mir leydt, daß er so alt ist, hatt schon 82 jahr; daß ist doch ein hohes alter. Vor alle Ewere gutte wünsche, liebe Louise, dancke ich Eüch von hertzen undt wünsche Eüch hergegen alles, waß Ihr Eüch selber wünschen undt begehren möget. Ihr müst vergeßen haben, liebe Louise, daß die dorff-kirmeß zu St Clou allezeit im September ist, den da ist es daß fest von St Clou. Daß im frühllng ist nur la petitte St Clou. Solle mich den mein zustandt alle gedancken verhindern? Da sey gott vor! daß wer eine lettargie[1]. Waß man lieb hatt, liegt einen im hertzen, liebe Louise, undt daß kan der todt oder eine lettargie allein enden machen. Es würde mir ein rechter trost undt freüde sein, wen Eüch, liebe Louise, die bagattellen, so ich Eüch schicke, die geringste freüde geben konten. Meine gesundtheit ist noch nicht gantz wider perfect, ich bin noch schwach, habe sehr geschwollene füß undt schenckel, gar viel krampff überall. Jedoch so bin ich unvergleiche beßer, alß ich geweßen; die gelbsucht ist gantz vorbey, ich finde mehr leben in mir undt in allem bin ich beßer, alß ich geweßen. Aber da schlegt es 11 uhr, ich muß mich ahnziehen, den ich bin heütte wegen der audientz in grand habit. Adieu den, lieben[2]! Biß dießen abendt werde ich Eüch vor meinen nach[t]eßen entreteniren undt den zu bett, sagt jene brautt. Mein nachteßen ist kurtz, doch mitt wenigern abscheü vor dem eßen, alß ich seyder 5 mont gehabt. In einer halben stundt werde ich den garus auff Ewere gesundtheit drincken, liebe Louise, eine halbe stundt hernach zum eßen gehen.
Sambstag, den 26 September, umb 3/4 auff 7 abendts.
Es ist just eine gutte stundt, daß ich von Madrit komen bin, aber ich habe nicht eher, alß nun, wider, schreiben [können], den ich habe hir meinen großen braunen buben, den evesque de La[o]n[3], gefunden. Der ist mir recht lieb, ist der beste bub von der welt, Ewer petit neveu, er ist imm[e]r lustig undt lacht so von hertzen, daß man mitt ihm lachen muß. Ich kan auch nicht laßen, wen ich ihn sehe, mitt ihm zu plaudern undt ihn zu plagen. Nun er wider weg ist, will ich Eüch, liebe Louise, noch entreteniren, den ich habe Eüch heütte morgen versprochen, Eüch einen größern brieff zu schreiben, alß die, so ich etliche posten geschrieben habe. Ich bin [469] froh, daß sich die printzes von Sultzbach so gebeßert hatt. Ich habe I. L. vor ein par tagen geschrieben, wie sehr Ihr mir sie gerümbt habt. Nichts ist leicht[e]r, alß sich in dem datum zu betrieben[4]; wen ich von hir nach Paris gehe, datire ich noch lang von St Clou. Aber da ist nicht viel ahn gelegen, davor solt Ihr nie umb verzeyung bitten, liebe Louise! Ey, mein gott, wolt Ihr schon von alter reden, waß solle ich den sagen? Den ich glaube, ich habe woll 11 jahr mehr, alß Ihr. Der plan von Manheim undt Schwetzingen hatt keine eyll, wen [er] nur ni[c]ht gantz vergeßen wirdt. Ich muß alß lachen, wen ich den Wießer einen graffen nenen höre undt gewiß weiß, daß er nur ein schulmeister geweßen[5]; daß sicht man ihn aber woll perfect ahn. Wen man viel leütt umb die kutschen hatt, wirfft man nicht umb. Gott bewahre unß vor größer unglück auff unßerer reiß, so nun baldt ahngehen wirdt! Den 8 werde ich nach Paris undt den 12 meine reiße ahnfangen. In wehrender reiße werde ich Eüch, liebe Louise, nicht schreiben können, aber kan ich ein augenblick zu Rheims finden, so werde ich Eüch rechenschafft geben von unßer reiß. Biß mitwog werde [ich] unßere gutte hertzogin von Hannover wider in eine commedie zu Paris führen, gantz neü, heist le nouveau monde oder le mariage de lamour et la raison[6]. Biß donerst[ag] werde ich berichten, wie ich es gefunden. Ach, liebe Louise, ich kene mich selber zu woll, umb vanitet zu nehmen können, aber es ist gewiß, daß man mir zu Paris mehr ehre ahnthut, alß ich werdt bin. Eüch aber, liebe, verblendt die freündtschafft, so Ihr zu mir tragt. Ich werde, gott lob, alle tag beßer; wen ich nur gehen könte! Aber meine füß undt schenckel seindt noch erschreklich geschwollen, ich habe kein abnehmen, ob ich zwar seyder 8 tag alle nacht die stinckende attach-blatt[e]r[7] auff meine schenckel genehet; daß ist eine neüe qual. Da treibt man mich zum eßen, muß wider willen [470] schließen. Daß verdrist mich, aber thue ich nicht, waß man will, sagt man, ich mach mich kranck. Ad[i]eu den, lieb[e] Louise! In welchen standt ich auch sein mag, behalt ich Eüch hertzlich lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. September 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 467–470
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1365.html
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