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Brief vom 17. Mai 1688

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugraf Karl Ludwig zu Pfalz


2018.


[511] [1]
St Clou den 17 May 1688.
Hertzallerlieb Carllutz, es ist schon etliche tage, daß ich Eweren wehrten brieff vom 23 Aprill entpfangen habe, ohnmöglich aber eher, alß nun, darauff antwortten können. Den ich war eben zu Versaille, alß ich ihn bekam, undt weillen wir einen gantzen monat geweßen, ohne dort zu sein, habe ich so viel vissitten bekommen, auch mich wider so fleißig in den jagten eingestelt, daß ich keine zeit vor mir selber habe haben können, umb zu schreiben. Ihr werdet Eüch vielleicht verwundern, daß ich sage, daß wir einen gantzen mondt nicht zu Versaille geweßen, sintemahlen Eüch woll bewust ist, daß man ordinari nicht so lange von hoffe bleibt; allein die ursach war, daß Monsieur gleich nach Ostern daß fieber bekommen, welches I. L. 8 gantzer tag gewehret mitt sehr starcken accessen; die geringsten wahren von 18 stunden, den er etliche gehabt, so 22 gewehret. Wie ich dabey (insonderheit in dem ahngenehmen Palais-Royal) meine zeit passirt, laß ich Euch erahten, deme alles dießes thun gar woll bekandt ist. Nun aber ist Monsieur, [512] gott lob, wider in volkommener gesundtheit, undt weillen I. L. sich dießmahls ohne quinquina courirt, hoffe ich, daß daß fieber so baldt nicht widerkommen wirdt. Es ist aber nun auch woll einmahl zeit, daß ich auff Eweren brieff komme undt selbigen beantwortte. Weillen Ihr nun ohne zweiffei wider in Grichenlandt sein werdet, wen Ihr dießen brieff entpfangen werdet (weillen Ihr mir schreibt, daß Ihr in 4 tagen vereyßen werdet), so bitte ich Eüch, mein hertzlieb Carllutz, bericht mich doch, waß Ihr all schönes dort gesehen habt undt sehen werdet, undt ob noch viel rest von der antiquitet dortten zu sehen ist undt ob noch gebäu im standt sein, wodurch man sehen könte, waß die stätte vor dießem geweßen sein! Undt weillen ich nicht zweyffle, daß so viel zu schreiben Eüch gar viel wegen Ewerer handt incommodiren würde, auch wegen Ewerem comando woll vielleicht keine zeit haben mögtet, so befehlt nur einen von Eweren leütten, eine relation zu machen, undt schickt mir dießelbige! Den ich gestehe, daß ich eine rechte curiossitet habe, umb zu wißen, wie Athene undt Corintho nun beschaffen sein. Waß ahnbelangt, daß Ihr mich, mein hertzlieb Carllutz, bedanckt, daß ich Ewere undt Ewere geschwisterig interesse ahn monsieur de Moras recommandirt habe, so mögte ich woll von hertzen wünschen, daß Ihr mich vor etwaß beßers dancken möget. Und solte man mir geben, waß mir in der Pfaltz gebühret, versichere ich Eüch, daß ich keine ruhe haben würde, bis daß Ihr Eüch deßen auch entpfinden möget. Monsieur de Moras hatt mir auch versprochen, daß, wen er etwaß von dem gelt bekommen kan, so durch die rechnungen solle gelieffert werden, daß Ihr auch Eweren part davon bekommen sollet, undt in alles, worinen ich Eüch undt Ewere geschwisterig werde dinnen können, werde ich mich nicht verseümen, den ich habe Eüch alle lieb, aber Ihr seit mir aber doch der liebste von allen. Der Breton hatt mir auß Hollandt geschrieben, daß einer von Eweren brüdern zu Eüch würde. Schreibt mir, obs war ist undt welcher es ist! Waß mich ahnbelangt, so bin ich nun, gott sey danck, in volkommener gesundtheit, 3 monat lang aber greülich geplagt geweßen mitt 2 großen geschwehren unter dem rechten arm. Eines war so groß undt dick wie ein hüner-ey, man hatt mir es mitt lancetten geöffnet undt 2 große schnitt mitt scheren drin gethan, welches erschreckliche schmertzen verursachet. Habe doch vor jedes geschwer nur 8 tage die cammer gehalten undt nie zu [513] bett gelegen. Undt weillen ich kein leibstück ahnthun konte undt den arm in escharpe tragen muste, hab ich mich alß die gantze zeit über in jagts-kleyder gekleidt, welches mich dan ahn die tournir erinert hatt. Ach, mein gott, mein hertzlieb Carllutz, wie bin ich woll so fest Ewerer meinung! undt ich gebe woll waß guts drumb, daß wir noch in der zeit wehren, wie wir tournirten; undt wen ich den wißen könte, was ich nun weiß, würde mich Franckreich gewiß nicht zu sehen bekommen undt diß mehr, alß auß einer ursach. Aber ich will nicht reflechiren, würde sonsten heütte gar zu leünisch werden; last unß derowegen lieber von vetter Fana reden undt dergleichen possen! Ist es möglich, daß Ihr vergeßen habt, daß der vetter Fana in Ewerer confrerie ist, undt erinert Ihr Eüch nicht der versen, so ich den augen von Chambor cidirt, wie vetter Fana von ihr verliebt wardt, undt wie ich zu ihr sagte, alß sie mir von ihm sprach:
Il a veü laimable Proserpine.
On reconoist a lesclat de sa beauté divine.
Que du maistre des cieux elle a reçeü le jour.
Je luy rend grace, cest elle qui me debarasse
De ce facheux amour.
Der gutte vetter Fana liegt noch in dießen schönnen ketten undt hatt Eweren raht noch nicht gefolgt, noch den, so man im opera von Alceste gibt, nehmblich wie Ihr sagt: Quand on est sans esperance, on est bien tost sans amour, undt wirdt, wie ich glaube, woll biß ahn sein endt dießer person nachfolgen undt in jenem leben auch noch, wen anderst war ist, waß Proserpine in Alceste singt: Il faut, que lamour extreme soit plus fort que la mort. Die augen von Chambor seindt greülich von humor verendert, seyder dem Ihr sie nicht gesehen habt; sie lacht schir nicht mehr undt ist in einer solchen gravitet, daß es nicht außzusprechen ist. Alle die, so vor dießem ihre gutte freünde wahren, alß ich undt andere mehr, da geht sie jetzt mitt umb, alß wen sie sie nie gekendt hette, undt niemandes kan erahten, waß ihr fehlt. Es muß ein heimblich ahnliegen sein; den kürtzlich so raissonirte man von glück undt unglück, da sagte sie, sie glaube, daß niemandes in der welt könte glücklich sein. Den, sagte sie, solte man nicht meinen, daß mein standt der glückseeligste von der welt sein solte? Jedoch so bin ich nicht beßer zufrieden, alß andere. Daher hab ich judicirt, daß sie etwaß haben muß, daß sie innerlich quehlet; waß es [514] aber ist, kan ich ohnmöglich erahten. Etlich meinen, daß sie den Fürstenberg im kopff hatt, ich kan es aber nicht glauben. Daß ist alles, waß ich Eüch von den augen von Chambor sagen kan. Waß die ni[m]phe Charlotte ahnbelangt, so geht es mitt ihr gar schlapp[i]es, wie die Hinderson alß pflegt zu sagen, undt seyder 3 jahren her hatt sich niemandes bey ihr ahngemelt; dazumahl aber war ein seeman dar, welcher noch viel närischer ist, alß vetter Fanna. Chateaut[h]ier[s] hatt sich schir kranck über ihn gelacht und Wendt auch, den er wolt Wendt alß pressenten geben, umb seine freündtschafft zu gewinen, welche er meinte ihm hoch nöhtig were. Wir haben seyder seiner abreiße schöne espistellen von ihm bekommen, welche Eüch woll würden divertiret haben, wen Ihr sie hettet sehen können, unter andern einen teütschen brieff, welchen ich behalten alß ein rares stück. Wen Ihr ihn sehen wolt, könt Ihr mirs berichten, so will ichs Eüch schicken. Ich habe gantz vergeßen, wen wir Eweren freündt vor dießem hießen. Aber apropo von Eweren freünden, Floransac[2] hatt sich geheürahtet, hatt mademoiselle de Sen[n]eterre genohmen undt die historie sagt, daß die junge fraw oder vielmehr die jungfer einen von ihren gutten freünden vertrawet hatt, daß Floransac impuis[s]ant ist undt, mitt verlöff, met verlöff, nie bey ihr hette schlaffen können, welches den gar ein betrübter zustandt ist. Den brieff, so Ihr mir vor monsieur d’Alvensleben geschickt, hab ich ihn in eygenen händen überlieffert, undt so baldt er ihn geleßen, hatt er mir ihn auch zu leßen geben. Ich hab nicht gewust, daß Ihr so schön in Frantzösch schreiben könt; ohne raillerie, Ewer brieff ist recht artlich undt woll geschrieben. Ich habe ihm die histori von der Colbin undt Bergamer mühl verzehlt, worüber er undt seine 2 printzen von hertzen gelacht haben. Apropo von brieffen, wen Ihr mir eine überschriefft schreibt, so setzt nur A Madame aber nicht Madame d’Orleans! den sonsten wirdt man hir drüber lachen. In dießem angenblick kompt Monsieur undt mein sohn herrein undt wollen spatziren fahren, muß derowegen schließen. Adieu den, mein hertzallerlieb Carllutz! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß keine von Eweren schwestern Eüch lieber hatt, alß ich, undt daß ich biß in todt Ewere trewe undt affectionirte freündin verbleiben werde.
[515] P. S.
Ich hette schir vergeßen, zu sagen, daß ich mehr, alß 7 oder 8 brieff von der königin in Spanien habe, so gantze bogen voll vor Eüch sein undt voller gutten wünsche vor Eüch undt wie sie Eüch noch alß lieb hatt. Zukünfftigen freitag wird Cristian August Haxsthaussen zu Paris ahnkommen mitt dem zweitten churfürstlichen printzen von Saxen, deßen hoffmeister er nun ist. Sie kommen auß Spanien, da werde ich einen großen brieff von unßerer königin mittbekommen. Es ist mir auch lieb, unßern Christian August wider zu sehen. Wolte gott, es were auch wider so nahe, daß ich Eüch ambrassiren könte! forchte aber, daß es noch in langen nicht ges[ch]ehen wirdt. Die Gredine, d[i]e marquisse, ist hir undt lest Eüch grüßen, sie mögt Eüch auch gern wider sehen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Mai 1688 von Elisabeth Charlotte an Karl Ludwig zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 511–515
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b2018.html
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