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Brief vom 7. November 1694

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


2023.


[520] [1]

A madame Louisse, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Paris den 7 November 1694.
Hertzliebe Louisse, gestern abendts habe ich Ewer schreiben vom 9/19 October mitt dem p. s. vom 13/23 zu recht entpfangen, bin gar fro, darauß zu sehen, daß meine brieffe Eüch stehts ahngenehm sein, werde derowegen fleißig im antwortten sein. Daß Ihr aber vor eine generositet halten wolt, daß ich Eüch meine beharliche [521] freündtschafft versichere, so kan ich solches nur vor eine politesse in Ewern reden halten; den Ihr wist, liebe Louisse, daß es meine schuldigkeit ist, Eüch lieb zu haben undt daß ich, ohne von bößem naturel zu sein, nicht anderst thun kan, undt seine schwestern undt brüder lieb zu haben, ist nie generositet; insonderheit muß man sie woll lieben, wen sie meritten haben wie Ihr, mein liebe Louisse, undt von jederman gelobet werden. Ich bedancke mich sehr, daß Ihr Eüch mitt mir über meines sohns ahnkunfft erfrewet undt so gutt wünsche thut. Er hatt eine große betrübtnuß bekommen, seyder er wider bey unß ist; sein töchtergen ist ihm gestorben, mad[e]moissel[le] de Valois, welches ihm sehr zu hertzen gangen. Ich aber habe mich deßen gar baldt getröst, den ich finde, daß sie glücklicher ist, im himel zu sein, alß wen sie were leben blieben, den der princessinen standt finde ich eben, umb die warheit zu bekennen, nicht zum glücklichsten. Ich bin fro, daß Carl Moritz wider glücklich auß seiner campagne kommen ist; ich habe Eüch ja woll gesagt, daß es ihm nicht schaden würde, sondern manirlicher machen. Ich bitte Eüch, sagt mir doch, waß vor neüe bücher Ihr jetz[t] neü zu Franckfort habt undt ob es waß besonders ist! Ich muß Eüch doch auch eine commission geben, ich bitte, liebe Louisse, sucht doch zu Franckfort, ob Ihr nicht einen teüt[s]chen Virgillius bekommen könt! Daß jahr, alß ich von Heydelberg weg ginge, umb her zu kommen, hatt mir Carllutz diß buch gelent, welches zu Franckfort ist getruckt worden in versen, so nicht reimen; mögte von hertzen gerne so eins haben, undt wen Ihrs gefunden, könt Ihr mirs nur durch die Parisser post geradt schicken undt dabey setzen, waß es kost, will ichs Eüch über Hannover bezahlen laßen. Es ist nicht von nöhten, wo es nicht eingebunden ist, es einbinden zu laßen, den ich will es hir schon zu recht laßen machen. Ich gebe Eüch dieße mühe, den ich bin versichert, daß Ihr sie gerne vor mich nehmen werdt; daß wirdt mir helffen, mein Teütsch nicht zu vergeßen. Es ist eben nichts bößes, daß Carl Moritz in seinem alter kein sitzfleisch hatt; daß stehet den jungen mansleütten, insonderheit die von qualitet sein, woll ahn; daß reißen formirt die leütte. Waß Ihr mir sagt, daß die leütte von Hagenbach zu Carl Moritz gesagt, hatt mich so touchirt, daß mir die threnen drüber seindt in den augen kommen. Die arme leütte wißen nicht, wie es mitt der sach beschaffen ist undt daß mein nahme nur ein bloßer schein undt [522] pretext ist, sie seindt aber weit von ihrem ziel undt haben herren, die ihnen bey weittem nicht so viel gutts gönnen alß ich, aber ihre undt meine herren sindt; daß ist, waß noch daß schlimbste dran ist. Ich glaube, daß alle Ewere oncle undt tanten weg ziehen, Eüch andern ant thun muß. Ich glaube, daß die zwey unverheürahte freüllen von Hohenloe ihre zwey schwestern glück, so in Portugal geheüraht sein, woll nicht mißgönnen, den es ist ein ellendt leben in Portugal undt etwaß abscheüliches, wie man die weiber dort tractirt. Man hatt mir vor 2 tagen gesagt, daß ein sohn von pfaltzgraff Adolf soll herkommen sein; ich habe ihn noch nicht gesehen, weiß also nicht, ob es derselbe ist, welcher bey Eüch zu Franckfort geweßen. Sein herr vatter hatte nicht mangel, sondern nur gar zu viel humor, derowegen woll ein groß glück, wen der sohn anderst ist. Man wirdt hir baldt sehen, waß er im schildt führt, den diß landt ist ein greülicher bropstein, baldt zu sehen, waß die leütte sein. Ich erinere mich woll, daß ich seinen herr vatter, fraw mutter undt zwey kleine princessinen zu Heyde[l]berg gesehen habe, aber nie keinen printzen; mich deücht auch, die princessinen wahren kleiner undt jünger, alß Ihr. Daß der ledige standt so a la mode wirdt, ist vielleicht, daß die weibsleütte klüger werden undt lieber allein leben wollen, alß sich herren undt meister zu wehlen, welche gar offt tiranen werden, undt in meinem sin ist es beßer, alte jungfer außgelacht zu werden, alß geheürahte fraw beklagt, undt sehe ich, daß Ihr recht gutten verstandt müst haben, nach dießem außlachen nichts zu fragen. Wolte gott, ich könte Ewerm beüttel helffen! ich wolte Eüch von hertzen gerne in dießer Ewerer meinung stercken. Raisoniren ist nicht altjungferlich; daß kan nicht anderst, alß allezeit aprobirt werden, daß allein macht unß zu menschen undt ohne raisonnement were kein unterschiedt unter unß undt den thieren, kan mir also nicht anderst, alß ahngenehm sein, Eüch so woll raisoniren zu hören. Amelisgen, bitte ich, ambrassirt von meinetwegen, wie auch Carl Moritz, wofern er noch bey Eüch ist! Schreibt ahn Caroline, daß, so baldt es frieden wirdt werden, werde ich ihr selber schreiben! Den alßden, hoffe ich, wirdt man mir erlauben, ihr ihre gehörige tittel auff die überschriefft zu setzen. Der mademoiselle de Roye heüraht habe ich all lengst erfahren. Ihr bruder, der comte de Roucy, hatt vor 2 monat die kinderblattern gehabt, er ist eben so rott, wie ich vorm jahr war. Es ist nun zeit, in die kirch zu [523] gehen, den es ist heütte sontag; muß derowegen schließen, doch nur diß noch zur neüen zeittung sagen, daß wir monsieur le Dauphin mitt allen printzessinen hir erwahrten, so mitt unß zu mittag eßen sollen, undt hernach werde ich mitt I. L. in daß opera gehen, undt umb die heüttige post nicht zu verseümen, bin ich heütte ein virtelstundt ehr, alß ordinari, auffgestanden, damitt Ihr, liebe Louisse, persuadirt sein möget von meiner bestandigen affection.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. November 1694 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 520–523
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b2023.html
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