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A madame Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou den 30 May 1698.
Hertzliebe Louisse, vergangen dinstag habe ich zwar Ewer
liebes schreiben vom 10/20 dießes monts zu recht entpfangen, wie Ihr
durch mein brieff ahn Amelise, so ich ihr selbigen tag geschrieben,
werdet ersehen haben, es kammen mir aber so viel verhinderungen,
das ich ohnmöglich antworten konte, ich werde es aber nun
außführlich thun. Ihr thut mir einen großen gefahlen, alle 8 tag zu
schreiben, undt solte ich auch nur erfahren, wie es mitt Eüch
schwestern stehet, werde ich schon zufrieden sein. Ich bin woll
Ewerer meinung, daß die große menge leütte nicht ahm
zeitvertreiblichsten ist undt man sich beßer mitt wenig personnen, so einem
ahnstehen, lustig machen kan. Ist es auß devotion, daß man zu
Franckfort keine commedien leyden will? Daß ist recht alber; wan
man eine comedie zuhört, thut man ja nichts gegen gott, noch dem
negsten. Ich bin doch fro, daß Ihr dieße verenderung haben werdet.
Wen die schewer groß ist, werden sie doch woll ein fein theatre
machen können. Wie wir in Flandern reißetten, funden wir
comedianten zu Philipeville undt zu Donckercke; die hatten ihr theatre
in einem magazin, welches nicht viel beßer, alß eine schewer, ist;
sie machten unß woll von hertzen lachen, sie deüchten gar nichts,
allein sie wahren so ridiculle, daß sie unß doch recht divertirten; so
mag es Eüch auch woll gehen. Der gutte könig in Poln ist jetzt
auff einem theatre, wo allem ahnsehen nach viel tragedien gespilt
werden werden; wen er nur selber nicht auch mitt drauff geht!
Monsieur Tettau helt den graffen von Waldeck vor gar reich. Die
gutte princes von Birckenfelt hatt eben die wahl nicht, muß, halt
ich, woll nehmen, wer sie nehmen will, den sie seindt gar arm.
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Es ist mir lieb, daß ich Eweren jüngsten bruder nicht gekandt habe,
den dießer graff umbs leben gebracht hatt; den man sagt, er solle
gar artig geweßen sein, das würde mich sehr geschmertzt haben.
Carllutz kan ich noch nicht vergeßen, kan nicht lange ohne threnen
von ihm reden. Carl Moritz wirdt nun baldt zu unßerer churfürstin
nach Hannover, ma tante freüdt sich auff ihm. I. L. die churfürstin
von Brandenburg solle ihn auch recht lieb haben undt ihn allezeit
bey sich haben wolle[n]. Sein[e] innerlichen qualitetten müßen die
eüßerliche fehler ersetzen undt nach meinem sin ist es beßer, ein
gutt gemüht zu haben, alß ein schön gesicht. Ambrassirt ihn wider
von meinetwegen! Raht Ewer freündin, sich auff keinen pasport
zu trawen; man ist verpichter, alß nie, auff die religion undt sie
würde mühe haben, wider herauß zu kommen, wen sie hir were.
Den pasport hieher würde sie woll bekommen können, aber wie ich
niemandes betriegen mag, so will ich lieber blat herauß sagen,
waß mir davon deücht; ich wolte keiner frantzoschen Reformirten
jetzt rahten, herzukommen. Es ist jetzt zeit, in die kirch zu gehen,
daß abendt-gebett zu hören, muß derowegen schließen. Adieu,
hertzliebe Louisse! behalt mich allezeit lieb undt seydt versichert,
daß ich Eüch auch sehr lieb habe!