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Brief vom 20. September 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


2038.


[546] [1]

A madame Louisse, raugräffin zu Pfaltz, a Weinheim.

St Clou den 20 September 1698.
Hertzliebe Louisse, gestern habe ich erst Ewern lieben brieff vom 9/30 September von Weinheim entpfangen. Ich meinte, weillen Ihr nun näher wehret, würden die brieffe eher überkommen, seindt aber doch, wie Ihr woll secht, nicht frischer, alß wen Ihr sie zu Franckfort geschrieben hettet. Die vers, so ich gemacht hatte, wahren nur lieder auff eine melodey, so sehr a la mode vorm jahr war; schicke sie Eüch alle 3 hirbey[2]. Madame Despinois habe ich woll recht ursach zu regretiren; die gutte princes hatte große meritten, viel verstandt, courage undt fermeté, ein guttes, aufrichtiges [547] gemühte, devot ohne bigotterie, recht christlich, war über die maßen charitable. In Poictou hatte sie ein gutt, deßen einkommens sie täglich den armen reichen laßen undt gar nichts davon eingezogen. Ihre gröste freüde war, ihren freünden zu dinnen, höfflich gegen jederman, complaissant undt von gar gutter compagnie, wuste perfect, woll zu leben undt waß einem jeden gebührt, war auch bey jederman woll dran; suma, es ist ein rechter verlust, daß die gutte fraw gestorben. Unßer herrgott hatte ihr innerlich ersetzt, waß er ihr eußerlich benohmen; den die gutte fraw war erschrecklich heßlich von gesicht, die taille aber ginge noch woll hin. Ich habe die gutte princes nicht sterben sehen, bin aber erschrecklich erschrocken, wie ich dießen so schnellen todt vernohmen habe; eine ader hatte sich auff einmahl in ihrem kopff zerbrochen, daß hatt sie getödt. Ich glaube nicht, daß daß muscatten-blüdt dießes hette verwehren konnen, aber woll, wen die schlagflüße von humoren undt schleim kommen. Deß keyßers Carl kopffwaßer habe ich zu recht entpfangen undt dancke Eüch sehr davor, liebe Louise! Es ist gantz anderst, alß daß, so mir die fraw von Mayercroon, deß dänischen envoyes fraw, geben, welches anderst richt, mehr nach kreüter; ich förchte, dießes ist ein wenig auff dem weg verdorben, den es richt nach schimel. Ich laße es stehen, umb zu sehen, ob es nicht wider zu recht kommen wirdt; den es ist vielleicht noch zu frisch. Der kauffman, so es mir bracht, hatt es mir zwar in eygenen händen geliefert, allein ich habe ihn gesprochen, ohne daß er mich, noch ich ihn gesehen. Ihr werdet nicht begreiffen können, wie diß zugangen, müst derowegen wißen, liebe Louisse, daß ich eben im closter du Port-Royal war, hatt mir also die fläsch durch den tour geben, wo man nicht sehen kan, noch gesehen kan werden. Freylich würde es mir von hertzen leydt sein, Ewern beüttel zu incommodiren. Amelisse brieff habe ich gar nicht entpfangen, ist mir recht leydt, daß er verlohren worden, den ich hette ihre relation gerne gesehen. Es were doch gutt, sich bey dem postmeister zu informiren, wo mein brieff hin kommen. Ich kan die jetzige pfältzische hoffmaniren gar nicht loben. Den worin will er höher sein, alß mein herr vatter s., der doch die reichsgraffen considerirt undt nicht mitt den ede[l]leütten confondirte? Es were doch nicht gegen des churfürsten respect, wen Ihr dagegen protestirte[t] undt durch gutte freünde unter der handt dem churfürsten zusprechen laßen undt Ewern respect [548] zu erkennen geben, wie Ihr, ohne Eüch zu formalisiren, alles gethan, waß man haben wollen, ob es zwar gegen Ewerm rang ist; hoffe, daß dießes den churfürsten in sich wirdt gehen machen, daß er der churfürstin befehlen wirdt, anderst mitt Eüch zu leben. Wer muß dem churfürsten im kopff gesteckt haben, so gar hoch hinauß zu wollen? Mitt denen maniren wirdt er sich gar nicht so beliebt machen, wie papa s. war. Kan die churfürstin Teütsch oder Ihr Ittallienische, daß Ihr mitt I. L. habt sprechen können? Den hohen stadt, so der churfürst undt die churfürstin führen, wirdt ihnen manche lange weill zu wegen bringen; ich weiß durch experientz, waß es ist. Umb die warheit zu sagen, so bekümere ich mich nicht viel umb meines sohns kinder; kompt die elste, so gar artig ist, zu mir, caressire ich sie, ich sehe sie aber gar selten, dencke also nicht, daß ich große freüde ahn sie erleben werde. Ich wolte lieber ahn Ewer taffel eßen undt trincken, alß ahn deß churfürsten taffel, den ich bin versichert, daß es lustiger hergeht. Ihr tedt woll, Eüch nicht zu chagriniren; daß macht nur kranck undt hilfft wenig, allein man ist nicht allezeit sein eygen meister, einen tag hatt man die starcke, über etwaß zu lachen, andern tags aber, wen daß miltz bläet, kan man daß weinen nicht laßen; mir geht es allezeit so. Gret bitte ich von meinetwegen wider zu grüßen undt Amelis zu ambrassiren. Fragt doch ahn Amelisse, wem sie den ihren brieff vor mich geben hatt, daß er so verlohren ist worden! Meiner dochter beylager wirdt nun baldt sein, daß hertz fengt mir ein wenig ahn, schwer auffs scheyden zu werden. Alle junge leütte hir werden dießen abendt tantzen, alß nemblich meine kinder, meine freüllen, die printzes von Fürstenberg undt ihre töchter, daß freüllen von Fürstenberg, so stiffts-freüllen ist, meine vettern von Cassel undt alle junge cavalier, so zu Paris sein. Die contredanse werden nicht vergeßen werden, drumb werde ich dabey bleiben, sonsten könte ich es nicht außstehen; den ich kan die frantzosche dantze beym bal nicht vertragen, insonderheit den menuet, der könte mich auß dem landt jagen. Ich muß mich eyllen, den ich habe noch 3 brieff zu schreiben, ehe die geselschafft kompt, muß derowegen schließen, dancke nochmahlen vor deß keyßer Carls kopffwaßer undt versichere Eüch, liebe Louisse, daß ich Eüch undt Amelisse sehr lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. September 1698 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 546–548
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b2038.html
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