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Brief vom 26. September 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Graf Christoph Martin von Degenfeld


2060.


[577] [1]

A monsieur le comte de Degenfelt et Schonburg a Londres.

St Clou den 26 September 1719.
Herr graff von Degenfelt, ich habe mitt monsieur le Phevre gesprochen, weillen ich aber nicht wie liebe Louise in affairen gelehrt bin undt kein wordt davon verstehe, so habe ich monsieur le Phevre einen brieff ahn meinem advocatten geben, dießem herrn mitt raht beyzustehen. Ich habe auch den h[errn] Chardon sagen laßen, seine rechnung zu thun; der macht sich, wie man hir sagt, blanc de son espée undt pretendirt, zu erweißen, daß er überal seine schuldigkeit gar woll vericht. In wenig zeit wirdt man sehen, ob es war ist. Madame Chardon, so eygendtlich die sach unter handen gehabt, passirt vor eine gar ehr[l]iche fraw. Aber, unter unß gerett, in waß interesse oder gewinst ahngeht, ist warlich gar wenig Frantzoßen zu trawen; außer mein sohn undt madame de Chasteautier, sonsten konte ich kein mensch in gantz Franckreich nenen, so nicht interessirt ist, daß es eine rechte schandt ist; also kan ich vor niemandts gutt sein. Ewer schreiben, herr graff, vom 17 Augusti habe ich auch zwar bekommen, aber ohnmoglich zeit gehabt, solches zu beantworten; den ich bin immer accablirt von briffen, schreibe dinstags undt freytages brieffe von 24 undt etlich mahl woll 30 seytten ahn I. L. die printz[essin] von Wallis undt in Lotteringen, montags ahn die königinen von Spanien, so zu Bajonne ist undt die königin von Sicillien, mitwog ahn die hertzogin von Hannover nach Modene, donnerstag ahn Louise undt nach Hannover, sontag wider ahn Louisse, ahn mein dochter undt nach Hannover, sambstag schreibe ich nach Venedig, ins Elsaß undt waß ich sonsten zu beantwortten habe. Ich fahre auch offt nach Paris, also sicht der herr graff woll, daß ich wenig zeit vor mir selber habe. Ich stehle der printzes von Wallis hiermitt etliche seytten, umb Seinen brieff zu beantwortten können. Ich habe die vergangene woche eine große angst außgestanden, man hatt mir 3 posten auffgehalten, ohne Louise brieff zu schicken. Ich forchte, sie mögte, wie sie auß dem Schlangenbaadt kommen, kranck zu Geißenheim geworden sein; aber vorgestern hab ich, gott lob, ein brieff von Franckfort auß von ihr bekommen vom 24 Aug[usti], ist nicht kranck geweßen. Wo alle die [578] brieffe, so mir von ihr fehlen, mögen hin kommen sein, mag gott wißen. Man hatt mir einen brieff vor Eüch geschickt, ich weiß aber nicht, wo er herkompt, schicken ihn hir bey. Drey personen haben sich schon bey mir ahngemelt, umb Coubert zu kauffen, ich weiße sie alle ahn monsieur le Phevre; dem habe ich auch gesagt, wen er meiner in etwaß von nöhten hette, solte er sich bey mir ahnmelten. Den ich werde den herrn graffen, seiner gemahlin undt geschwey allezeit gern persuadiren, daß ich allezeit bin undt bleibe,
Herr graff von Degenfelt,
Seine wahre freündin
P. S.
Bitte, seine gemahlin, wie auch die gräffin von Holdernesse, wie auch sein dochtergen, mein patgen, von meinetwegen zu ambrassiren.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. September 1719 von Elisabeth Charlotte an Christoph Martin v. Degenfeld
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 577–578
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b2060.html
Änderungsstand:
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