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Brief vom 14. Mai 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


2227.


[113] [1] [2]
St Clou den mitwog, 14 May 1721 (N. 91).
Hertzallerliebe Louise, ich habe heutte keinen post[t]ag, den unßere hertzogin von Hannover ist ja zu Paris undt mitt der printzes von Modene hab ich wenig commerse; wir lieben einander nicht genung, umb einander offt zu schreiben; alß[o] habe ich nun den mitwog frey. Meine brieff ahn Eüch, liebe Louise, werden desto lenger werden, welches Eüch, wie ich hoffe, nicht verdrießen wirdt. Vergangen montag hatt man mir Ewer liebes schreiben vom 29 April, no 35, gebracht, war aber nicht desto frischer. Die bernheütter, so die posten gouverniren, halten mir alle meine brieffe auff; der gräffin von der Buckeburg letztes schreiben haben sie mir eine gantze woche aufgehalten, umb mich vor die printzes von Wallis, die sie woll wißen, daß ich sehr liebe, in sorgen zu setzen. Dieß mahl seindt sie erdapt, den ich habe gutte zeittung durch monsieur le Fevre brieffe bekommen. Es seindt woll insolente schelmen undt der verfluchste pfaff[3], so immer zu finden ist; diß seye ihm zu ehren gesagt, wen er dießen brieff wirdt übersetzen laßen! Ich bin heütte recht von hertzen betrübt, liebe Louise! Eine von meinen gutten freündinen, so wir die andere jahren allezeit hir gehabt haben, die arme marquise d’Alluye, liegt auff den todt, lest mir doch alle tag schreiben. Es ist desto weniger hoffnung, daß sie davon [114] kommen kan, indem sie schon 85 jahr alt ist. Ich besuchte sie noch vergangen sambstag, wie ich zu Paris war. Sie hatt den verstandt noch so net, alß sie ihn ihr leben gehabt; montag undt gestern aber ist sie schlimm[e]r geworden undt hatt mir doch die 2 kleine brieff schreiben laßen, die mich bitterlich haben weinen machen. Die arme fraw, wie Ihr sehen werdet, macht mir noch complimenten über die charge, so mein enckel, der duc de Chartre[s], bekommen; den er ist colonel general von der gantz[en] frantzöschen infanterie geworden, er besitzt sie nun nur alß commissionaire; man muß sehen, wen der könig in die majoritet kommen wirdt, ob er dieße charge bestattigen wirdt[4]. Unterdeßen bin ich accablirt durch alle complimenten, so mir hirauff kommen; es hatte mich gestern so müde gemacht, daß ich mich nicht zu behelffen wuste. Unter [115] andern kam printz Carl vom Philipsthal her; der wirdt gewiß baldt gar kranck werden, er wirdt augenscheinlich mager undt sicht bitter übel auß, schläfft nicht woll undt kan nicht eßen. Ich forchte, daß er[5] eine schwere krankheit geben wirdt. Er klagt sehr über seinen oncle, den regierenten landtgraffen, daß er seinen herrn vetter so bitter übel tractirt undt gantz verläst. Er jammert mich von hertzen undt desto mehr, daß ich ihn in nichts dinnen, noch nützlich sein [kan]. Ich hatte ihn treülich gewahrnt, er hatt mir aber nicht glauben wollen; also meine schuldt kan es gar nicht sein, wofern er kein contentement hir findt. Da müst Ihr Eüch, liebe Louise, auff gefast machen, daß man Eüch alle posten meine schreiben 2 undt zwey auff ein mahl geben wirdt. Aber nun ist es zeit, mich ahnzuziehen undt meine pause [zu] machen.
Donnerstag, den 15 May 1721, umb 6 morgendts.
Gestern war es mir ohnmoglich, wieder zu schreiben zu gelangen, liebe Louise! Gleich nach dem eßen kam mein sohn her, nehmblich um 1/4 auff 2 uhr, undt bliebe 5 viertel-stundt hir bey mir. Eine halbe stundt hernach fuhr ich nach Madrit, wo ich meinen sohn noch fandt; ich bliebe zu Madrit biß umb 5 abendts, entpfung dort die betrübte zeitung, daß die arme marquise d’Alluy[e] in den letzten zügen liege, welches mir die lust, bey dem so gar schönnen wetter zu spatziren, greülich versaltzte. Ein viertel-stundt, ehe ich dort weg fuhr, kam mein enckel, der duc de Chartre[s]; der sagte mir, daß er heütte seinen aydt vor seine charge bey dem könig ablegen würde. Wie ich wieder herkam, leütte man ins gebett, wo ich lieber hingehe, alß zu allen andern devotionen, weillen man in Frantzösch da bett. Wen sie daß Lattein blären[6], bette ich auff Teütsch. Dieße devotion ist nicht lang, wehrt nicht gar eine halbe [stunde]. Wie es auß war, ging ich in mein cammer undt andtwortete ahn der armen marquise schwester, so mir geschrieben hatte. Gleich drauff kamme madame d’Orlean[s] ahn undt bliebe hir biß umb 8, da man mir mein abendt-eßen brachte. Ich konte nicht eßen, hatte daß hertz zu schwehr, zog mich umb 9 auß undt legte mich zu bett, bin vor eine halbe stundt erst auffgestanden, also 8 stundt undt eine halbe im bett gelegen undt [habe] [116] mein morgendts-gebett verricht. Es ist heütte der schönste sonnenschein von der welt, aber unter der sonen ein so erschrecklicher nebel, daß ich die bäume von[7] gartten gegen mir über nicht sehen kan, viel weniger Paris. Ihr könnt woll gedencken, liebe Louise, daß ich jetzt noch nichts neües wißen kan. Der ambrirte cachou[8] hatt daß, er ist dem magen gar gutt, insonderheit wen man ihn morgendts nüchtern in dem mundt schmeltzen lest, aber man muß wenig davon nehmen, sonsten erhitzt er zu sehr. St Clou hatt mich beßer von meinem neüen husten courirt, alß alle remedien. Es war mir nur von der bößen lufft von Paris kommen, die mir allezeit waß bößes verursachet, kan sie gar nicht vertragen. Paris ist die eintzige lufft, so ich mein leben verspürt, mir so gar schädtlich zu sein. Ihr habt, liebe Louise, gar woll von der St Clouer lufft judicirt, sie hatt alles wieder gutt gemacht. Kranckheitten machen mich nie trawerig, aber woll, gutte freündt zu verliehren. Die arme marquise war von gar gutter geselschafft, allezeit lustig undt ist es biß ahn ihr endt geblieben. Der nebel ist endtlich verschwunden undt jetzt gar schön wetter. Ich laße meine fenster auffmachen, umb der gutten lufft zu genießen, umb zu versuchen, ob die gutte lufft meine trawerige nebel vertreiben wirdt, wie die son den so gar starcken, so auff daß flach felt undt die Seine war. Viel leütte seindt trawerig, wen sie kranck sein, weillen sie daß sterben förchten; daß thue ich, gott lob, nicht undt der allmachtige verleye mir die gnade, es nie mehr, alß nun, zu förchten! Wen man mich nicht mitt remedien plagt, werde [ich] nicht ungedultig, aber ich werde eher ungedultig, alß trawerig, kan nicht klagen noch lamantiren, habe auch nicht gern, daß man mich fragt, wie ich mich befinde[9]. Amelise hatte recht, es bestehet viel in dem temperament, lustig oder trawerig zu sein. Daß wahren recht gottseelige gedancken, so Amelise hatte, mitt vergnügen ihr[e] schmertzen umb gottes willen zu leyden, welches ihr auch woll zur seeligkeit wirdt genutzt haben. Auff Ewern traum habe ich schon letzte post geantwortet, werde also weytter nichts davon sagen. Freüllen Pelnitz[10] mögte woll eher in jene welt gehen, alß Ihr, liebe Louise! Den die königin in Preussen schreibt mir, daß sie gar ellendt undt gantz [117] scheff[11] von ihrem schlagfluß geworden sein[12]. In treümen ist es beßer, daß weibsleütte einem übel, alß woll, wollen; den weibercaressen im traum seindt lautter falschheit undt betrug. Im conclave solle es gar doll hergehen, sollen sich nicht allein zancken, sondern auch gar schlagen; daß muß artig zu sehen sein. Alberoni wahl ist nur vexirerey, die cardinal konnen ihn nicht leyden; hirin haben sie gewiß kein unrecht, den er ist der leichtfertigste schelm, so man finden kan, auff allerhandt boßheit abgericht[13]. Seine gutte freündin, die princesse des Ursin[s], spilt jetzt die devotte zu Rom. Waß Ihr mir, liebe Louise, geschickt, ist gar waß magnifiques hir, fürchte also, daß es Eüch härter ahnkommen undt Ewern beüttel mehr gekost, alß Ihr es Eüch berümbt. Daß rähtgen[14] undt haspel wirdt biß sontag eine große freüde verursachen, den ich eine lotterey vor meine 3 enckelinen davon machen werde. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben von 26 April, no 34, vollig beantworten[15]. Daß [118] mir noch überig ist vom 29 April, no 35, werde ich morgen abendts undt sambstag frühe andtwordten, doch mein paquet erst abendts machen undt Eüch noch durch ein par lignen zu wißen thun, wie ich mich nach meiner aderläß befinde, nun aber versichern, daß ich Eüch, hertzliebe Louise, von hertzen lieb behalte.

Copie des lettres de madame la marquise d’Alluye[16].

Ce lundy, 12e de May 1721.
Je me meurt, ma divinne princesse! La fievre qui m’a prit hiers, m’a si fort affoiblie, que le pere Galliart[17] a jugé appropos, que je receu le saint viatique et l’estrem ontion. Croyés, ma princesse, tant que me resteras un moment de vie aux malheurs que j’ay d’aistre privés de vôtre cherre presence pour toujours, hellas, elle me consollet de tout; du moins donnes moy quelque moment dans votre precieux souvenirre! Sy on sent quelque chose ché les morts, ma joyes an sera parfaite; je croy, Madame, la vôtre tres grande a l’esgard de monsieur le duc de Chartre avec grande raison.
Ce mardy, 13 de May 1721.
Je ne suis pas encore morte, ma divine princesse! Carre la fievre ne me fera pas cartiers, sy elle reviens. En attendant, ma cherre princesse, je panserés a touttes les graces, dont vous m’aves honnoré, qui font celle de la consollation de tout mes meaux. Adieu, ma chere princesse! Je n’ay pust lirre la fin de la lettre, dont vous m’aves honnorés hyers san[s] en estre touché de chagrin.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Mai 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 113–118
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b2227.html
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Tintenfass