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St Clou den mitwog, 14 May 1721 (N. 91).
Hertzallerliebe Louise, ich habe heutte keinen post[t]ag, den
unßere hertzogin von Hannover ist ja zu Paris undt mitt der printzes
von Modene hab ich wenig commerse; wir lieben einander nicht
genung, umb einander offt zu schreiben; alß[o] habe ich nun den
mitwog frey. Meine brieff ahn Eüch, liebe Louise, werden desto
lenger werden, welches Eüch, wie ich hoffe, nicht verdrießen wirdt.
Vergangen montag hatt man mir Ewer liebes schreiben vom 29 April,
no 35, gebracht, war aber nicht desto frischer. Die bernheütter,
so die posten gouverniren, halten mir alle meine brieffe auff; der
gräffin von der Buckeburg letztes schreiben haben sie mir eine
gantze woche aufgehalten, umb mich vor die printzes von Wallis,
die sie woll wißen, daß ich sehr liebe, in sorgen zu setzen. Dieß
mahl seindt sie erdapt, den ich habe gutte zeittung durch monsieur
le Fevre brieffe bekommen. Es seindt woll insolente schelmen
undt der verfluchste pfaff
[3], so immer zu finden ist; diß seye ihm zu
ehren gesagt, wen er dießen brieff wirdt übersetzen laßen! Ich bin
heütte recht von hertzen betrübt, liebe Louise! Eine von meinen
gutten freündinen, so wir die andere jahren allezeit hir gehabt
haben, die arme marquise d’Alluye, liegt auff den todt, lest mir doch
alle tag schreiben. Es ist desto weniger hoffnung, daß sie davon
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kommen kan, indem sie schon 85 jahr alt ist. Ich besuchte sie
noch vergangen sambstag, wie ich zu Paris war. Sie hatt den
verstandt noch so net, alß sie ihn ihr leben gehabt; montag undt gestern
aber ist sie schlimm[e]r geworden undt hatt mir doch die 2 kleine
brieff schreiben laßen, die mich bitterlich haben weinen machen.
Die arme fraw, wie Ihr sehen werdet, macht mir noch complimenten
über die charge, so mein enckel, der duc de Chartre[s], bekommen;
den er ist colonel general von der gantz[en] frantzöschen infanterie
geworden, er besitzt sie nun nur alß commissionaire; man muß
sehen, wen der könig in die majoritet kommen wirdt, ob er dieße
charge bestattigen wirdt
[4]. Unterdeßen bin ich accablirt durch alle
complimenten, so mir hirauff kommen; es hatte mich gestern so
müde gemacht, daß ich mich nicht zu behelffen wuste. Unter
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andern kam printz Carl vom Philipsthal her; der wirdt gewiß baldt
gar kranck werden, er wirdt augenscheinlich mager undt sicht bitter
übel auß, schläfft nicht woll undt kan nicht eßen. Ich forchte, daß
er
[5] eine schwere krankheit geben wirdt. Er klagt sehr über seinen
oncle, den regierenten landtgraffen, daß er seinen herrn vetter so
bitter übel tractirt undt gantz verläst. Er jammert mich von
hertzen undt desto mehr, daß ich ihn in nichts dinnen, noch nützlich
sein [kan]. Ich hatte ihn treülich gewahrnt, er hatt mir aber nicht
glauben wollen; also meine schuldt kan es gar nicht sein, wofern
er kein contentement hir findt. Da müst Ihr Eüch, liebe Louise,
auff gefast machen, daß man Eüch alle posten meine schreiben 2
undt zwey auff ein mahl geben wirdt. Aber nun ist es zeit, mich
ahnzuziehen undt meine pause [zu] machen.
Donnerstag, den 15 May 1721, umb 6 morgendts.
Gestern war es mir ohnmoglich, wieder zu schreiben zu
gelangen, liebe Louise! Gleich nach dem eßen kam mein sohn her,
nehmblich um
1/
4 auff 2 uhr, undt bliebe 5 viertel-stundt hir bey
mir. Eine halbe stundt hernach fuhr ich nach Madrit, wo ich
meinen sohn noch fandt; ich bliebe zu Madrit biß umb 5 abendts,
entpfung dort die betrübte zeitung, daß die arme marquise d’Alluy[e]
in den letzten zügen liege, welches mir die lust, bey dem so gar
schönnen wetter zu spatziren, greülich versaltzte. Ein viertel-stundt,
ehe ich dort weg fuhr, kam mein enckel, der duc de Chartre[s];
der sagte mir, daß er heütte seinen aydt vor seine charge bey dem
könig ablegen würde. Wie ich wieder herkam, leütte man ins
gebett, wo ich lieber hingehe, alß zu allen andern devotionen, weillen
man in Frantzösch da bett. Wen sie daß Lattein blären
[6], bette
ich auff Teütsch. Dieße devotion ist nicht lang, wehrt nicht gar
eine halbe [stunde]. Wie es auß war, ging ich in mein cammer
undt andtwortete ahn der armen marquise schwester, so mir
geschrieben hatte. Gleich drauff kamme madame d’Orlean[s] ahn undt
bliebe hir biß umb 8, da man mir mein abendt-eßen brachte. Ich
konte nicht eßen, hatte daß hertz zu schwehr, zog mich umb 9
auß undt legte mich zu bett, bin vor eine halbe stundt erst
auffgestanden, also 8 stundt undt eine halbe im bett gelegen undt [habe]
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mein morgendts-gebett verricht. Es ist heütte der schönste
sonnenschein von der welt, aber unter der sonen ein so erschrecklicher nebel,
daß ich die bäume von
[7] gartten gegen mir über nicht sehen kan,
viel weniger Paris. Ihr könnt woll gedencken, liebe Louise, daß
ich jetzt noch nichts neües wißen kan. Der ambrirte cachou
[8] hatt
daß, er ist dem magen gar gutt, insonderheit wen man ihn
morgendts nüchtern in dem mundt schmeltzen lest, aber man muß wenig
davon nehmen, sonsten erhitzt er zu sehr. St Clou hatt mich beßer
von meinem neüen husten courirt, alß alle remedien. Es war mir
nur von der bößen lufft von Paris kommen, die mir allezeit waß
bößes verursachet, kan sie gar nicht vertragen. Paris ist die
eintzige lufft, so ich mein leben verspürt, mir so gar schädtlich zu
sein. Ihr habt, liebe Louise, gar woll von der St Clouer lufft
judicirt, sie hatt alles wieder gutt gemacht. Kranckheitten machen
mich nie trawerig, aber woll, gutte freündt zu verliehren. Die arme
marquise war von gar gutter geselschafft, allezeit lustig undt ist es
biß ahn ihr endt geblieben. Der nebel ist endtlich verschwunden
undt jetzt gar schön wetter. Ich laße meine fenster auffmachen,
umb der gutten lufft zu genießen, umb zu versuchen, ob die gutte
lufft meine trawerige nebel vertreiben wirdt, wie die son den so
gar starcken, so auff daß flach felt undt die Seine war. Viel leütte
seindt trawerig, wen sie kranck sein, weillen sie daß sterben
förchten; daß thue ich, gott lob, nicht undt der allmachtige verleye
mir die gnade, es nie mehr, alß nun, zu förchten! Wen man mich
nicht mitt remedien plagt, werde [ich] nicht ungedultig, aber ich
werde eher ungedultig, alß trawerig, kan nicht klagen noch
lamantiren, habe auch nicht gern, daß man mich fragt, wie ich mich
befinde
[9]. Amelise hatte recht, es bestehet viel in dem temperament,
lustig oder trawerig zu sein. Daß wahren recht gottseelige
gedancken, so Amelise hatte, mitt vergnügen ihr[e] schmertzen umb
gottes willen zu leyden, welches ihr auch woll zur seeligkeit wirdt
genutzt haben. Auff Ewern traum habe ich schon letzte post
geantwortet, werde also weytter nichts davon sagen. Freüllen Pelnitz
[10]
mögte woll eher in jene welt gehen, alß Ihr, liebe Louise! Den
die königin in Preussen schreibt mir, daß sie gar ellendt undt gantz
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scheff
[11] von ihrem schlagfluß geworden sein
[12]. In treümen ist es
beßer, daß weibsleütte einem übel, alß woll, wollen; den
weibercaressen im traum seindt lautter falschheit undt betrug. Im
conclave solle es gar doll hergehen, sollen sich nicht allein zancken,
sondern auch gar schlagen; daß muß artig zu sehen sein. Alberoni
wahl ist nur vexirerey, die cardinal konnen ihn nicht leyden; hirin
haben sie gewiß kein unrecht, den er ist der leichtfertigste schelm,
so man finden kan, auff allerhandt boßheit abgericht
[13]. Seine gutte
freündin, die princesse des Ursin[s], spilt jetzt die devotte zu Rom.
Waß Ihr mir, liebe Louise, geschickt, ist gar waß magnifiques hir,
fürchte also, daß es Eüch härter ahnkommen undt Ewern beüttel
mehr gekost, alß Ihr es Eüch berümbt. Daß rähtgen
[14] undt haspel
wirdt biß sontag eine große freüde verursachen, den ich eine lotterey
vor meine 3 enckelinen davon machen werde. Hiemitt ist Ewer
liebes schreiben von 26 April, no 34, vollig beantworten
[15]. Daß
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mir noch überig ist vom 29 April, no 35, werde ich morgen abendts
undt sambstag frühe andtwordten, doch mein paquet erst abendts
machen undt Eüch noch durch ein par lignen zu wißen thun, wie
ich mich nach meiner aderläß befinde, nun aber versichern, daß ich
Eüch, hertzliebe Louise, von hertzen lieb behalte.
Copie des lettres de madame la marquise d’Alluye[16].
Ce lundy, 12e de May 1721.
Je me meurt, ma divinne princesse! La fievre qui m’a prit
hiers, m’a si fort affoiblie, que le pere Galliart
[17] a jugé appropos,
que je receu le saint viatique et l’estrem ontion. Croyés, ma
princesse, tant que me resteras un moment de vie aux malheurs que
j’ay d’aistre privés de vôtre cherre presence pour toujours, hellas,
elle me consollet de tout; du moins donnes moy quelque moment
dans votre precieux souvenirre! Sy on sent quelque chose ché les
morts, ma joyes an sera parfaite; je croy, Madame, la vôtre tres
grande a l’esgard de monsieur le duc de Chartre avec grande
raison.
Ce mardy, 13 de May 1721.
Je ne suis pas encore morte, ma divine princesse! Carre la
fievre ne me fera pas cartiers, sy elle reviens. En attendant, ma
cherre princesse, je panserés a touttes les graces, dont vous m’aves
honnoré, qui font celle de la consollation de tout mes meaux. Adieu,
ma chere princesse! Je n’ay pust lirre la fin de la lettre, dont
vous m’aves honnorés hyers san[s] en estre touché de chagrin.