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Brief vom 14. Dezember 1676

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


12.


[011]
St. Germain den 14. December 1676.
E. L. bitte ich demütigst umb verzeyung, daß ich in so langer ewiger zeit meine schuldigkeit mitt schreiben nicht abgelecht habe… Erstlich zu Versaille, alwo wir den gantzen tag zu thun hatten, denn morgents biß umb 3 nachmittags waren wir auff der jagt, darnach, wan wir von der jagt kommen, so kleite man sich anders ahn undt gingen ’nauff zum spiel; dorten blieb man biß umb 7 abents; von dar ging man in die commedie, welche umb halb 11 auß war, alßdan ging man zum nachteßen, vom nachteßen zum bal, welcher biß 3 uhr morgendts wehrte, undt dan zu bett. Drumb laß ich E. L. selbsten gedencken, ob ich dortten zeitt zu schreiben gehabt habe; nachdem ich aber hieher bin kommen, hab ich alle tage antworten wollen, aber allemahl ist waß dazwischen kommen, insonderheit verdrießliche visiten, die mich mein fall, so ich vom pferde gethan, auff den halß gezogen, welche histori ich E. L. doch verzehlen muß. Wir hatten schon einen haßen gefangen und eine elster geflogen, derowegen ritten wir allgemach schritt vor schritt; mich deüchte, daß mein rock nicht recht unter mir war, drumb hilte ich stille undt bückte mich, umb mich zurecht zu setzen, undt in dem augenblick, daß ich in der postur bin, steht ein haaß auff, welchem alle nach jagen, undt mein pferdt, welches die andern jagen sicht, will auch hernach undt springt auff ein seit, also daß ich, die schon halb auß dem sattel war, fundt mich durch dießen sprung gantz auff ein seitt, ergrieffe in aller eyll den sattelknopf undt behilte den fuß im steigbügel, in hoffnung, mich wider in den sattel zu heben; aber indem ich den sattelknopf ergreiffe, entfelt mir der zügel. Ich rieff einen, der vor mir war, daß er mein pferdt auffhalten solte; dießer aber kam mitt einer alzu großen furie auff mich loß undt machte also meinem pferdt bange, welches aber nicht faull war, sondern sich gar baldt auff eine andere seitte wentte undt durchginge. Ich aber hilte mich feste so lang ich merckte undt sahe, daß die andere pferde nah bey mir waren; sobaldt ich mich aber alleine sahe, ließ ich mich algemach loß undt auff die grüne blousse[1] fallen, undt dießes [ist] so glücklich abgangen, daß ich mich Gott sey danck nicht das geringste wehe gethan habe. E. L., die unßern König so sehr admiriren, daß er mir so woll in meinen kintsnöhten beygestanden, werden ihn dan noch auch woll lieb haben in dießer rencontre, denn er war selber der erste bey mir so bleich wie der todt, undt ob ich ihm schon versicherte, daß ich mir gar kein wehe gethan undt nicht auff den kopff gefallen were, so hatt er doch keine ruhe gehabt, biß er mir selber den [012] kopff auff alle seitten visitirt undt endtlich funden, daß ich ihm wahr gesagt hatte; hatt mich selber hir in mein cammer geführt undt [ist] noch etlich zeitt bey mir blieben, umb zu sehen, ob ich auffs wenigst nicht taumblich were… Ich muß sagen, daß der König mich noch täglich mehr gnade erweist, denn er spricht mir überall zu, wo er mich ahntrifft, undt lest mich jetzt alle Sambstag hollen, umb medianosche[2] mitt ihm bey mad. de Montespan[3] zu halten. Dießes macht auch, daß ich jetzt sehr à la mode bin, denn alles was ich sage undt thue, es sey gutt oder überzwerck[4], das admiriren die hoffleütte auch dermaßen, daß, wie ich mich jetzt bey dießer kälte bedacht, meinen alten zobel ahnzuthun, umb wärmer auff dem halß zu haben, so lest jetzt jederman auch einen auff dieß patron machen undt es ist jetzt die gröste mode; welches mich woll lachen macht, denn eben dießelben, so jetzt dieße mode admiriren undt selber tragen, haben mich vor 5 jahren dermaßen außgelacht undt so sehr mitt meinem zobel beschrieen, daß ich ihn seiderdem nicht mehr hab ahnthun dörffen. So gehts hir bey dießem hoffe zu, wenn die courtisans sich einbilden, daß einer in faveur ist, so mag einer auch thun was er will, so kan man doch versichert sein, daß man apropirt werden wirdt, hergegen aber, wan sie sich das contrari einbilden, so werden sie einen vor ridicule halten, wenn er gleich von himmel kämme. Wolte Gott, daß es sich schicken könte, daß E. L. ein monat etliche hir sein undt dießes leben sehen könten: ich weiß gewiß, E. L. würden offt von hertzen lachen, wir würden aber noch von beßerm hertzen lachen undt lustig sein, wan es auff die manir geschehen könte, wie ich schon so offt gewünschet undt welches nicht schlim vor mein patgen sein solte[5]. Aber apropo von dießer sachen: wir seindt jetzt hier in sorgen wegen eines envoyé von Bayern, denn wir, insonderheit Monsieur fürchtet, daß es ein böß zeichen vor unßere madmoiselle[6] sey… Ich wolte lieber, daß wir unßer madmoiselle hir behielten, denn außerdem daß es Monsieur dochter ist undt ich ihr daher alles guts wünsche, sondern auch weillen wir jetzt mitt einander gewohnt sein, undt wan die Churprintzes von Bayern[7] madame la dauphine werden solte, dan müste ich gantz neue kuntschafft machen… Waß ahnbelangt waß man madem. Chevalerie[8] zu gesagt, so will ich E. L. davon sagen alles waß ich weiß undt die rechte warheitt ist. P[rincesse] von Tarante[9] sagte mir, daß mad. de Harburg ihr geschrieben [013] hette undt eine copie geschickt von einer überschrifft, so ihr die fürstin von Ostfrießlandt[10] geschrieben, alwo sie sie alß rechtmäßige hertzogin von Zelle tractirct undt altesse heist. Hirauff hab ich ahn P. von Tarente geantwortet, daß ich hoffte, daß sie dießes exempel nicht folgen würde umb zwey ursachen halben: die erste, weillen mad. de Harburg niemermehr hertzogin von Zelle sein könte undt derowegen ihr dießer titel nicht gehöret, undt zum andern so käme mir auch gar ridicule vor, daß P. von Tarante einer persohn den titel altesse geben solte, so ihr stadsjungfer geweßen undt jederzeit in ihres manns hauß gedienet hatt. Darauff hatt sie mich gefragt, ob ich woll wolte, daß in fall Hertzog Jurg Wilhelm dießes übel nehmen würde, daß sie sagen dörffte, daß ich nicht wolte, daß sie sie als Hertzogin tractire? Darauff hab ich geantwortet, ja, aber mitt dem beding, daß sie auch meine ursachen alegiren möge, undt weitter hab ich gar nichts von dießer sachen gehöret; wan sie etwaß anders hinzu gesetzt oder gesagt, daß ich E. L. namen genehnet, so ist es mitt verlöff met verlöff eine lügen, aber daß ich nicht gewolt, daß sie sie alß Hertzogin tractirte, ist wahr, wie E. L. auß dießer relation sehen. … Ich weiß, wan pate[11] einmahl die augen auffgehen werden, so wirdt er selber gestehen, daß ich jetzt recht gehabt habe, denn waß seine persohn ahnbelangt, so ehre ich dießelbe undt hab ihn auch noch alß lieb wie vor dießem, aber das verhindert nicht, daß ich nicht gar woll sehe, daß er in dießem fall einen fehler begehet, worüber er mehr ist außgelacht worden, als ich, wan ich die zott vor keine rechtmäßige Hertzogin erkenne...
Die heüßer hir im lande seindt alle so verquaquelt, daß es eine schande ist, undt ist kaum eines, so seine ahngen[12] zammen[13] bringen könte, drumb würde oncle Rupert[14] beßer thun, etwaß in Teütschlandt zu suchen; aber waß noch [014] beßer were alß alles, ist, wan unßer printz zu Heydelberg[15] unß jetzt alle in unßer meinung betröge undt unß ein halb dutzendt kinder daher setzte; hirauff, weiß ich gewiß, daß E. L. ebenso woll amen sagen undt von ebenso einem gutten hertzen alß wie E. L. mitt ihrem elsten printzen in kindtsnöhten waren. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Dezember 1676 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 11–14
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0012.html
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