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Brief vom 1. Juli 1678

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


19.


[021]
St. Germain den 1. Julli 1678.
Ich bekenne von hertzen, daß ich es bißher zu grob gemacht habe, indem ich so unerhört lange ohne E. L. mitt schreiben auffzuwarten geweßen bin, allein ich glaube, daß der teüffel eine zeit her sein spiel mitt mir gehalten, umb mich wider ein wenig fluchen zu lernen, welches ich mir schir gantz abgewont hatte, denn so offt ich mich niedergesetzt undt ahngefangen zu schreiben, ist mir alß ein verhindernuß dazwischen kommen, so daß, wenn ich E. L. entweder alle ursachen schreiben solte, so mich verhindert haben, oder alle ahngefangene brieffe schicken, so würden E. L. ein großmächtig buch zu entpfangen haben, welches aber woll den fuhrlohn nicht wehrt sein würde, drumb will ich lieber den kürtzern weg nehmen undt bitte E. L. gantz demütigst, mir dießen unfleiß zu vergeben, werde hinfüro fleißiger sein. Ich hoffe, daß E. L. nicht glauben werden, daß solches bißher auß vergeßenheit [022] ist unterlaßen worden, denn so undanckbar bin ich nicht, daß ich mein hertzliebe ma tante, von der ich all mein tag so viel guts entpfangen, jemal vergeßen solte. … Wan wünsche undt veux[1] etwaß nutzen könten, so würden E. L. undt dero lieben ahngehörigen so vollkommen glücklich sein, alß E. L. es selbsten wünschen mögen; ich aber würde mich glücklich schätzen, wenn mich der friede die frewde zuwegen brächte, E. L. auffzuwarten; wie wolle ich E. L. ein hauffen verzehlen, denn seyder 7te halb jahr können sich woll viel begebenheitten zutragen, wie die teütsche commedianten alß pflegen zu sagen. Ich hab E. L. so viel zu sagen, welches sich nicht schreiben lest, daß es mich deücht, daß ich gantz auffgeblasen davon bin, aber was hilffts, ich muß gedult haben. …
Indem printz George von Denemarck[2] bey E. L. sein wirdt, so muß ich noch sagen, daß es mich frewdt, daß die Königin sein fraw mutter[3] übel auffgenohmen, daß man sich zu Zelle auff ihn gespitzt hatt, denn der hochmuht dießer zott[4] ist gar zu groß, daß sie will, daß ein Königssohn undt bruder ihr basterlein[5] nehmen solte, zur maitressen woll, aber zur gemahlin, das were zu grob, undt dazu dint mein patgen[6] beßer.
Indem ich E. L. brieff uberlese undt darin sehe, daß E. L. sagen, was die esprits delicats sagen würden, wenn sie sehen undt lesen solten, daß mir E. L. von einem thron auß schreiben, so man met verlöff met verlöff kackstul nennt, so weiß ich woll eine possirliche histori hirvon, so hir vorgangen, welche ich E. L. gerne sagen wolte, aber ich darffs nicht wagen, denn meine brieffe gehen nicht sicher genung undt wenn man es erfahren würde, käme ich in die küche[7], drumb umb meiner sentation zu widerstehen, so will ich von waß anders reden undt sagen, daß E. L. sich woll nicht betrigen, wenn sie glauben, daß ich noch alß gutt teütsch bin, denn das ist woll wahr, undt dießelbe Liselotte, so ich vor dießem geweßen, werde ich auch woll biß ahn mein endt verbleiben, weillen ich ja in den 7 jahren her nicht verendert bin. Daß oncle[8] pates[9] madam[10] vor keine hertzogin erkehnen will, daran haben I. L. groß recht undt kan woll kein mensch [023] verdencken. … In dießem augenblick gehe ich mitt unßerm König spatziren reitten; er ist warlich ein gutter braffer herr, ich hab ihn recht lieb, jedoch so gehen ma tante undt oncle noch vor in meinem hertzen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Juli 1678 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 21–23
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0019.html
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