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Brief vom 13. April 1681

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


34.


[036]
St. Clou den 13. Aprill 1681.
… Ich habe seyder etzliche tagen her 3 brieffe von I. G. der Churfürstin[1] entpfangen, in welchen man mir, doch mitt hofflicher manir, vorwirfft, daß ich mich der raugräfflichen kinder so sehr ahnnehme undt so offt [037] vor ihnen schreibe. Mein bruder[2] hatt mir noch nicht auff meinen brieff geantwortet, aber die Churfürstin mein fraw mutter[3] macht mir einen gantzen detaill von der sachen. Den kindern schreib ich nicht, denn das hilfft ihnen nichts undt iritirt mir meinen bruder undt fraw mutter. Carllutz[4] werde ich rahten, daß, weill oncle[5] undt E. L. doch so gutt sein wollen, ihm zu erlauben, dieselbe auffzuwarten, daß er bey ihnen bleiben solle, denn so viel ich auß der Churfürstin briff verspüre, so hast ihn mein bruder erschrecklich, jedoch sagt sie, daß er die medigen[6] lieb habe undt daß mitt der zeit Carllutz auch woll wider beßer dran sein würde … Ich weiß gar schöne historien, davon muß ich E. L. eine verzehlen, so man mir vor 3 oder 4 tagen gesagt hatt undt welche vor 3 wochen geschen ist im jesuwitter collegie; der chev. de Lorene[7] sagt, daß er glaube, daß es sein sohn ist, der solche histori gethan undt daß er täglich dergleichen thue. Es ist ein escollier, der war gar muhtwillig auff allerhandt manir, undt die gantze nacht lieff er herumb undt schlieff nicht in seiner cammer; da treüeten ihn die herren paters, daß wenn er nicht nachts in seiner cammer bliebe, wollen sie ihn unerhört streichen. Der bub geht zu einem mahler undt bitt ihn, er solle ihm doch zwey heyllige auff die zwey hinterbacken mahlen, auff die rechte sanct Ignaze de Loyala[8] undt auff den lincken hinterbacken sanct Francois de Xaviere[9]; welches der mahler thut. Damitt zicht er fein hübsch die hosen wider ahn undt geht wider ins colegium undt fengt hundert händel ahn; da krichen[10] ihn die paters undt sagen: pour cette fois ey vous orés[11] le fouet. Da fengt der jung ahn, sich zu wehren undt zu bitten, aber sie sagen, es helff kein bitten; da wirfft sich der schüller auff die knie undt sagt: o saint Ignace, o saint Xaviere, ayés pitié de moy et faitte quelque miracle en ma faveur, pour monstrer mon innocence; damitt ziehen ihm die paters die hoßen ab, undt wie sie ihm das hembt auffheben, umb ihn zu streichen, sagt der bub: je prie avec tant de verfeur, que je suis sure que mon invocation ora[12] effect. Wie die paters die zwey gemahlte heyligen zu sehen bekommen, ruffen sie miracle! celuy, que nous croyons un fripon, est un saint, damitt fahlen sie auff die knie undt küßen den hintern, ruffen alle schüller zusammen undt laßen sie in ceremonie kommen, umb den heyligen hintern zu küßen; welches sie alle gethan. Ich habe in meinem sinn gedacht, daß es woll andere auch ohne miracle geküst hetten, insonderheit wenn sie dem hintern die blonde tours, die mouchen[13] undt das rott ahn thun undt die cornetten[14], umb es wie ein gesicht zu machen. … [038]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. April 1681 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 36–38
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0034.html
Änderungsstand:
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