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Brief vom 29. September 1683

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


47.


[060]
Fontainebleau den 29. Sept. 1683.
Seyder 14 tage hab ich nichts gehört alß dictons, so man auff mons. Colbert thot[1] gemacht hatt; will E. L. dieße verzehlen. Ich glaube, daß E. L. woll ein buch werden gesehen haben, so diß jahr ist gedruckt worden; welches Le dialogue des morts heist, worinen man allerhandt todte mitt einander discouriren macht, sowoll antique alß moderne. Darauff hatt man inventirt, daß der teüffel die Königin[2] in ihrem weg hette auffhalten laßen, umb zeittung auß Franckreich zu hören, undt daß die Königin geantworttet hette: helas, je ne say point des nouvelles de l’estat et je n’en ay jamais sceu. Darauff were ein ander teüffel geloffen kommen, gantz außem attem, der hette geruffen, man solte die Königin gehen laßen, denn er brechte wer von alles rechenschafft geben könte, undt hette damitt mons. Colbert in die helle[3] gelieffert. Ich habe wißen wollen, was man mons. Colbert vor schöne nouvellen sagen macht, aber niemandes hatt mir es sagen können. Alles pöpelvolck ist dermaßen deschainirt geweßen, daß sie den armen todten cörper haben zereißen wollen undt man hatt von Königs guarden zu fuß den weg besetzen müßen von Colberts hauß ahn biß in die kirch, wo man ihn begraben[4]. Jedoch hatt man nicht wehren können, daß sie nicht hundert pasquillen sowoll in vers alß in prose ahn der capellen ahngeschlagen haben, wo sein cörper ist beygesetzt worden. … Ein porteur d’eau zu Paris kam ahn einen brunnen undt hatte einen langen schwartzen flor ahn seinem hutt. Seine cameratten fragten ihn: de qui portes tu ce grand deuille? Helas, antwortete er, vous le devriés touts porter aussi bien que moy, car mons. Colbert est mort. He bien, sagten die andern, pourquoy est ce que nous porterions le deuil pour luy? Parceque, antwortete er, nous luy devons touts de la reconnoissance de n’avoir point mis des impos sur l’eau que nous portons. Andere haben durch figuren undt rebus gesprochen. Ich glaube, daß E. L. woll wißen, daß des verstorbenen sein wappen eine blindtschleiche ist undt des cantzellers sein drey eydexen, wie auch, daß der mann, so ahn Colberts platz ist, Pelletier[5] heist; so sagt man: le lézard a avalé la couleuvre et a envoyé sa peau à refaire au peletier. …
In der letzten jagt, so wir zu Fontainebleau gethan, were mir beynahe ein groß unglück widerfahren, wenn ich mich nicht geschwindt meiner alten sprünge erinert undt vom pferde gesprungen were. Eine hirschkuhe, welche von der jagt verscheügt war, trehte mitt solcher uhngestuhme geratt [061] auff mich loß, daß, ob ich schon mein pferdt mitt aller macht auffgehalten, hab ich doch nicht so kurtz einhalten können, daß die hirschkuhe nicht im sprung dermaßen gegen meines pferdts maull geschoßen, daß sie ihm die stangen, das gebiß undt den zügel entstücken gerent. Mein pferdt war dermaßen erschrocken, daß es nicht mehr wuste was es thate, schnauffte alß ein beer[6] undt sprang auff ein seit. Alß ich aber sahe, daß mein pferdt kein gebiß mehr im maul hatte, trehte ich ihm den zügel ins maull, sprung herunter undt hilte es so fest, biß meine leütte mich ereylet. Hette ich solches nicht eylents gethan, hette mir mein pferdt unfehlbarlich den halß zerbrochen. Ich versichere E. L., daß sie ahn mir eine trewe dinnerin verlohren hetten. Dieße avanture hatt ein solch geraß bey hoff gemacht, daß man zwey tag von nichts anders gesprochen. … Meine tochter[7] ist eine rechte rauschenplatten knecht, die kan nichts lernen, allein die zung ist ihr woll gelöst undt spricht ins gelach hinein. Ich bin versichert, daß, wenn sie das glück hette, E. L. undt oncle zu entreteniren, würde sie dießelben ein wenig lachen machen, denn sie hatt all poßirliche einfäll; ich darff mich nicht so sehr mitt ihr familliarisiren, denn sie förcht keinen seelenmenschen auff der welt, alß mich, undt ohne mich kan man nicht mitt ihr zurecht kommen; sie fragt gar nicht nach Monsieur, wenn er sie außfiltzen will, undt da ich nicht dabey bin, so lacht sie ihm ins gesicht; ihre hoffmeisterin betriegt sie von morgen biß in die nacht. Ich weiß nicht, was auß dem medgen werden wirdt, sie hatt eine greüliche vivacitet; wenn sie selbige woll ahnwendt, wirdts woll gutt sein, allein ich gestehe es, mir ist schir bang darbey, denn es ist hir ein wunderlich landt. Ich wolte, daß ihr brudergen[8] undt sie von humor tauschen könten, denn er hatt zwar auch verstandt, aber er ist possé[9] undt erbar, wie ein medgen sein solle, undt sie ist doll wie ein pub[10]. Ich glaube, daß es aller Liselotten ihr naturel ist, so wildt in der ersten jugendt zu sein, hoffe, daß mitt der zeit ein wenig bley in dem quecksilber kommen wirdt, wenn ihr mitt der zeitt das raßen so sehr vergeht, alß es mir vergangen ist, seyderdem ich in Franckreich bin. … Man sagt hir, daß der König in Pohlen[11] viell kisten mitt gelt in des großen vizirs seine zelten gefunden undt daß er vor sich allein vor 8 millionen beütte bekommen. Eine gutte kist mitt ducatten solte unßerm raugraff auch nicht schaden[12]. Waß E. L. [062] von hertzog von Wolffenbüttels weschmatt[13] sagen, so er auß lieb genohmen, solches macht mich ahn teütsche vers gedencken, so ich vor dießem in einer comedie gehöret, welche so lautten:
Die lieb ist blindt, ist uns baldt woll gewogen,
Baldt klagen wir undt finden unß betrogen
,
alß wirdt es dem gutten hertzog auch gehen, wenn er die Augen auffthun wirdt.
Vor etliche tagen, alß ich meine hende wusch, verzehlte mir mad. de Durasfort[14], wie daß der verstorbene printz von Tarante[15] sich alß hette die hende waschen laßen undt auch die arme durch 2 von seiner gemahlin[16] jungfern; eine hieße Maranville undt die ander Dolbreuse[17]. Darauff fragte sie mich, ob es wahr seye, daß dieße letzte eine regirende fürstin were undt so eine große fortun gemacht hette, daß sie solches schwerlich glauben könte, weillen sie gehöret, daß sich die teütsche fürsten nie mißheürahten. Ich gestehe, daß mich dieße question pate[18] undt oncle[19] halben gantz beschambt gemacht hatt, habe derowegen geschwindt von was anders gesprochen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. September 1683 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 60–62
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0047.html
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