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Brief vom 11. Mai 1685

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


50.


[063]
Versaille den 11. May 1685.
… Ich habe den obermarschalck von Steincallenfels[1] sehr examinirt, wo doch der haß herkommen muß, so mein bruder vor seine gemahlin undt fraw mutter eine zeit lang her erwießen, hab aber nichts anderst von ihm bringen können, alß daß ein Docktor[2] ihm, nehmblich meinem bruder, weiß gemacht hatt, daß er sterben würde, wenn er bey seiner gemahlin lege, undt daß man ihm solches unmöglich wider hette auß dem kopff bringen können, ob er zwar selbsten den docktor alß einen schelmen undt nichtswürdigen menschen weggejagt hette. Was aber die Churfürstin unßer fraw mutter betreffe, davon wuste er gar nichts. Mein bruder leügenet gar sehr, daß er [064] willens geweßen seye, eine andere gemahlin zu nehmen, aber mein fraw mutter glaubt doch, daß etwaß dran geweßen, undt so viel ich mercken kan, hatt sie waß hart dagegen wie billig gesprochen, undt deßwegen glaube ich, daß sie mitt meinem bruder ist brouillirt geweßen. Waß unßere princen de Conti ahnbelangt, so weiß man noch nicht, ob sie nicht in Dalmatien werden; es ist mir leydt, daß sie nicht ahn E. L. hoff geweßen sein, damitt sie doch sehen mögen, daß unßere teütsche fürsten undt regirende hertzogen sich nicht lumpen laßen undt daß sie eben das gröste recht nicht haben, wenn sie sich beßer düncken alß sie. Es ist mir von grundt meiner seelen leydt, daß ich E. L. nicht alles sagen kan, was ich gerne wolte, denn ich bin versichert, daß, wenn ich E. L. alles verzehlen solte, was ich hirauff weiß, E. L. würden sich ein augenblick divertiren, allein ich darff es der feder nicht vertrawen, insonderheit in dießen zeiten, da man so überauß scrupuleus wirdt, auch so, daß der König seinen beichtsvatter[3] zu dem meinen[4] geschickt hatt undt mir heütte morgen hatt einen erschrecklichen filtz geben laßen über 3 punckten: der 1. ist, daß ich zu frey im reden were undt mons. le dauphin gesagt hette, daß, wenn ich ihn nacket von den fußsollen biß auff den scheytel sehen solte, daß weder er noch niemandes mich tentiren könte; zum andern, daß ich zugebe, daß meine jungferen galants hetten; zum dritten, daß ich mitt der princes de Conti[5] wegen ihre galants gelacht hette, welche 3 stück dem König so mißfiehlen, daß wenn er nicht betracht, daß ich seine geschwey[6] were, hette er mich von hoff congediert, worauff ich geantworttet, daß was mons. le dauphin ahnbelangt, so gestehe ich, daß ich solches zu ihm gesagt hette, indem ich nie gedacht, daß es eine schande seye, keine tentation zu haben, hette auch nie gehört, daß es zu der modestie nothig seye; was ich sonsten von kacken undt pißen frey zu ihm gesprochen, dießes seye mehr des Königs schuldt, alß die meine, indem ich ihn hette hundert mahl sagen hören, daß man in der famillie von alles reden könte, undt daß er mich hette sollen warnen laßen, wenn er es nicht mehr gutt befunde, indem es die leichtste sach von der welt zu corrigiren seye. Was den zweyten punckten ahnbelangt, undt daß meine jungfern galants hetten, so mischte ich mich in nichts von meinem hauße, würde also nicht bey dem ahnfangen, so ahm schwersten in ordre zu bringen seye, aber daß doch solches nicht ohne exempel seye undt daß jederzeit solches ahn höffen breüchlich geweßen undt daß also, wenn sie nur nichts thäten was gegen ihre ehr, ich nicht glauben könte, daß solches weder ihnen noch mir tort thun könte. Was den 3. punckten undt seine dochter[7] ahnbelangt, so were ich ihre hoffmeisterin nicht, ihr zu wehren, wenn sie galants haben wolte, könte auch nicht drüber weinen, wenn sie mir ihre [065] avanture verzehlte, undt weillen ich den König selber davon mitt ihr sprechen hören undt mitt ihr lachen sehen, hette ich gemeint, daß es mir auch erlaubt were: aber mad. la duchesse[8] könte mein zeüge sein, daß ich mich nie in nichts gemischt hette, were mir also gar schmertzlich, mich uhnschuldiger weiß so übel vom König tractiret zu sehen undt alß wenn ich etwaß erschreckliches verbrochen hette, undt solche wörtter zu hören, welche mir gar nicht zukämen undt welche zu hören ich nicht were erzogen worden. Ich habe Mons. kein wort von dießer histori gesagt, denn ich weiß, wie I. L. sein, sie würden alles ärger machen; aber ich muß gestehen, daß ich woll von hertzen böß über den König bin, mich wie eine cammerfraw zu tractiren, welches seiner Maintenon[9] beßer zukomme, alß mir, denn sie ist dazu geboren, aber ich nicht. Ich weiß nicht, ob es den König gerewet, mir die harangue gemacht zu haben, allein heütte morgen, alß er in die meß gangen, hatt er mir freundtlich zugelacht, mir aber wars gar nicht lächerlich, hab derowegen woll wider wie ordinarie eine tieffe reverentz gemacht, aber bitter sawer drein gesehen. Waß weitter hierauß werden wirdt, werde ich E. L. berichten, wenn ich es wißen werde; hette man mich so unschuldiger weiß exillirt, glaube ich, daß ich durchgangen were undt zu E. L. kommen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Mai 1685 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 63–65
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0050.html
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