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Brief vom 10. Oktober 1686

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


64.


[075]
St. Clou den 10. October 1686.
… Daß der comte de Roye[1] die dänische dinste quittirt, habe ich just andern tags erfahren, alß ich E. L. geschrieben hatte; wie mich aber deücht, so murmelt man hir, alß wenn sie die sach woll wider zurecht bringen mögte. Ich bilde mir ein, daß die holsteinische fürstin die sein muß, welche wir zu Zelle gesehen bey der jetzigen Churfürstin von Brandenburg[2], wie E. L. dort waren unterdeßen daß oncle seinen einzug in Osnabruck that[3]. Ich erinnere mich, daß dazumahl ein graff oder baron Reiß[4] dort war, so [076] dießer printzes fleißig undt mitt großer assiduitet auffwarttete; er hatte einen arm in einer schwartzen scharpe verbunden; das ist mir immer im kopff blieben, denn wie ich klein war, hütteten sie sich nicht vor mir undt ich lausterte[5] offt zu, wenn sie mitt einander discourirten, welches denn gar galant herging undt mich braff divertirte, undt woll eben so sehr alß jetzt madlle de Roucy. Mich wundert, daß die contesse de Roye frembt nimbt, daß ein Königs bastert fraw einen großen rang pretendirt, denn hir seindt sie noch ahn waß mehreres gewont, indem sie hir ja den rang von prince du sang haben; aber der Frantzoßen humor ist so, wenn sie auß ihrem landt sein, meinen sie alle, sie seyen König undt Königinen undt nichts köne sich ihnen vergleichen… Was den König von Denemarck[6] ahnbelangt, deücht mir, daß er wenig ehre hatt von der esquipée, so er vor Hamburg gethan[7]; ich bin aber fro, daß es geschen, weillen es gantz zu oncles gloire ist außgeschlagen … Das ist alles was ich auff E. L. letztes schreiben sagen kan; nun komme ich ahn das vom 3/13. Sept., so mitt die teütsche redlichkeit ahnfängt sowoll alß von der teütschen sprach. Das erste wirdt nie bey mir auffhören alß mitt dem letzten seüffzen; das zweite aber undt die sprach, fürchte ich, daß ich endtlich wider meinen willen solche vergeßen werde, denn ich rede nun sehr selten teütsch, weiß also schir nicht, ob ich es noch recht kan oder nicht, bitte E. L. derowegen demütigst, ob ich noch recht teütsch schreibe oder ob ich die frazen[8] vergeße, denn es ist mir gantz bang davor. Auff waß E. L. mir von dennen sagen, so die ewige freüde vor so versichert halten undt doch in dießem leben so viel loße tücke ahnfangen, darff ich nicht sagen was ich gedencke, denn auff dießen text ist man dermaßen delicat, daß man mir kürtzlich ein affaire ahngemacht, weillen ich gesagt, daß die devotten zu jetzigen zeitten mehr hipocrit alß devot weren, weillen sie nur suchten, ihre nebenchristen zu quellen[9] undt zu plagen undt sich selber nicht zu corigiren. Da ist man hingangen undt hatt zu mad. de Maintenon gesagt, daß ich solches auff sie gerett hette, da ich doch nur gantz en general gesprochen. … Mad. la dauphine ist nun Gott sey danck gantz woll wider; gestern hatt sie die ambassadeurs von Siam[10] ihre audientz im bett geben, welches denen leütten woll gar frembt muß vorkommen sein. Die princes von Siam hatt mad. la dauphine gar ein schön pressent geschickt undt noch schöner alß das, so der König von Siam ahn unßeren König geschickt; besteht in ein hauffen indianische kisten undt cabinetten von allerhandt gattung, viel golt undt silber geschirr undt viel porcelainen von allerhandt größe undt gattung, wie auch schöne schirm vors feüer zu setzen. Dieße abgesanten [077] wißen gar woll zu leben undt haben großen verstandt, allein die gesichter seindt waß frembt. … Ich beklage mein patgen[11] woll von hertzen, sich ahn einem hoff zu finden[12], wo man wider seinen willen undt danck küßen muß undt das noch insonderheit vor die leütte; das ist ja nicht modest undt solt man E. L. danck wißen, eine solche heßliche mode abzuschaffen, undt weillen man ja in alles so à la mode sein will, solten sie doch ahm brandenburgischen hoff bedencken, daß man in Franckreich gar nicht offendtlich küst. Aber weitter rahte ich doch ihnen nicht, die rechte hießige mode im ehestandt zu folgen, denn sonsten müßen sie einander innerlich haßen wie den teüffel undt alles leydes ahnthun was sie nur erdencken könen, undt wenn man ja eine extremitet wehlen solte, glaube ich, daß doch die vom Churfürsten von Brandenburg noch ahm besten ist, denn auffs wenigst seindt sie doch vergnügt, ob sie zwar die spectateurs schockiren mitt ihrem küßen undt handtdrucken, aber ich bin persuadirt, daß man woll ohne dieße laperey[13] jemandes recht lieb haben könte. Die Königin in Spanien[14] ist gar sehr von ihrem König geliebet undt würde woll nicht unglücklich leben, wenn der Keyßerliche abgesante, der graff von Mansfelt, nicht so einen erschrecklichen haß gegen sie hette undt ihr suchte alles unglück ahnzustifften[15]; derowegen ist sie woll recht zu beklagen. Was die inclination ahnbelangt, so sie hir haben solle, kan sie woll nicht gefehrlich sein, indem 300 meil sie von einander scheidt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Oktober 1686 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 75–77
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0064.html
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