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Brief vom 20. Juni 1687

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


69.


[082]
Versaille den 20. Juni 1687.
… Beßer daß wir nun von den moden sprechen. Wenn E. L. schon fontanges[1] trügen, were es woll gar kein wunder, denn alle welt trägt deren jetzt von 7 jahren biß in 80, undt nur das unterschiedt, daß die jungen leütte sie von allerhandt farben tragen, die bey jahren aber nur von schwartz oder sonstige dunckele farben; daß ich aber keine trage, ist die ursach, daß ich des tags nichts auff dem kopff vertragen kan, undt des nachts finde ich, daß das bandt auff dem kopff gar zu sehr rauscht, könte damitt durchauß nicht schlaffen; derowegen habe ich es dabey gelaßen. Die mode, gar keine haar auff dem gesicht zu haben undt die ohren zu weißen, habe ich auch nicht ahngenohmen, denn ich kan nicht daweren, wenn ich die ohren nicht bedeckt habe. Zwey tag vorher ehe ich E. L. wehrtes schreiben entpfangen, habe ich just die jetzige coiffuren mitt alten conterfaicten confrontirt undt war der unterschiedt gar gering. Dem Churprintzen zu Pfaltz[2] weiß ichs rechten danck, daß er seinen hoff auff gutt teütsch helt; ich kene I. L. undt [083] ist woll gewiß, daß es gar ein gutter herr ist[3]; ich bin I. L. noch alß so verobligirt, daß sie mich hir so beweinten, wie ich vor 12 jahren auff den todt ahn einer coliq lag. Wenn ich mich ahn einem ort befinden solte, wo man so viel ceremonien machen solte, wie E. L. mitt des Churprintzens L. gemahlin gemacht, würde ich mich greülich ambarassirt befinden undt könte ich es woll nicht so schön machen wie E. L. Das frantzösche sprichwort ist woll wahr ahn dießer fürstin: delicat et blonde[4], denn man sagt, daß sie nicht ein einig kint zurecht bringen kan. Vorm jahr sagte man, der printz Carl von Neubourg würde die infantin von Portugal heürahten, nun aber höre ich nichts mehr davon, vielleicht weillen er sicht, daß sein herr bruder der Churprintz keine erben bekompt, kan er sich nicht resolviren, die liebe Pfaltz so zu quittiren. Wie ich sehe, so ist man noch sehr superstitieux in Teütschlandt mitt seegen sprechen undt walfahrten; hir wirdt man viel raisonabler, denn der König hatt den pater Daviano[5] nicht sehen wollen, undt man hört auch nicht viel mehr von walfahrten. Ich hoffe, daß man alle die lappereyen[6] mitt der zeit nach einander abschaffen wirdt, alßdan wirdt man die leütte ohne dragoner bekehren können. Aber diß ist auch ein delicater text, derowegen von waß anderst reden. Daß es den gutten raugräfflichen kindern mit Churpfaltz so übel geht, ist mir von hertzen leydt … ich wolte gern noch waß mehrers sagen über daß oncle E. L. nicht hatt erlaubt, Louisse undt Amelisse[7] zu sich zu nehmen; ich glaube aber, daß es vorsichtiger ist, nichts davon zu sprechen. Daß der gutte marechal de Chonberg[8] so woll mitt seinen söhnen zu Berlin ahnkommen, ist mir von hertzen lieb zu vernehmen. Wie ich höre, so soll Carolline[9] aber nicht gar glücklich mitt graff Mainhard sein, denn man sagt, er seye so von einem erschrecklichen jalousen humor, daß er sie sehr plage, ob sie ihm zwar nicht die geringste ursach dazu gibt. So geht es in der welt zu, ein jeder hatt sein creutz. … Gott gebe, daß Carllutz anderwerts seine fortun finden möge; mir were es ein großer trost geweßen, hette ich ihn hir bey mir haben können, aber ich bin nicht gewont, daß was ich wünsche geschicht, sondern schir allezeit das contrarie. E. L. seindt aber woll zu loben, so viel generositet ahn unßern raugraffen zu erweißen, Gott der allmächtige wolle es E. L. zeitlich undt ewig belohnen! … [084] Ich sehe, daß der rigodon[10] jetzt eben so in der moden bey E. L. ist, alß hir. Ehe Lulli[11] starb, macht er noch ein schön liedt auff der melodey von Galatee, weillen mons. de Vandosme[12] ihm wegen diß opera einen schönen ring verehrt. Ich glaube, daß E. L. woll wißen, daß mons. de Vandosme sein vatter so ein großer sodomist geweßen, daß man alß ihm[13] sprichwort gesagt, qu’il avoit eue toutte la depouille de Sodome, das ist das sujet vom liedt undt es deücht mir, daß Lulli seine freündt undt sich selbsten wenig drin spart. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Juni 1687 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 82–84
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0069.html
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