Seitenbanner

Brief vom 30. Juli 1690

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


99.


[120]
Versaille den 30. Julli 1690.
… Alß der König in Engellandt[1] wider in seiner kutsche war undt nach St. Germain fahren wolte, fundt er einen von seinen cammerdinern [121] 100 schrit vom schloßthor, der brachte ihm die zeittung, daß man in gantz Irlandt vor gewiß sagte, daß der marschalck de Chomberg in der schlagt[2] geblieben undt der printz von Oranien[3] ahn seinen wunden gestorben seye. Seyderdem aber hatt man erfahren, daß alles wahr ist, was man von dem armen marschalck de Chomberg gesagt, daß aber der printz nur gar wenig verwundt seye. Was aber dieße zeittung von seinem todt vor eine freüde unter dem peupelvolck verursachet, ist ohnmöglich zu beschreiben, undt ob man schon comissaire du quartier geschickt hatt, umb ihre raßerey abzuwehren, ist es doch unmöglich geweßen. Sie haben 2 mahl 24 stunde gerast, nichts gethan alß freßen undt sauffen, undt alle leütte, so vorbey gingen, haben sie gezwungen zu drincken; sie haben freüdenfeüer gemacht undt geschoßen, racketten außgeworffen undt masqueraden gemacht; etliche haben ein begräbnuß zugericht undt alle vorbeygehenten zu des printzen von Oranien begräbnuß geladen; andere haben eine figur von stro undt wacks gemacht, so sie den printzen von Oranien geheißen, undt haben die gantze nacht darnach geschoßen. Die cordelliers[4] haben auch ein groß feüer vor ihr closter gemacht undt seindt heraußgangen, haben einen kreiß gemacht undt umb ihr feüer gesprungen undt gesungen undt getantzt. Ja wenn ich E. L. alle naredeyen verzehlen solte, so man zu Paris gethan, müste ich ein groß buch schreiben; aber was wunderlich ist, ist, daß unßers Königs autoritet, so absolute alß sie auch ist, doch dießes nicht hatt verwehren können, denn sobaldt jemandes sagen wolte, daß dießes eine naredey seye, ist man seines lebens nicht sicher gewest … Damitt ich aber wider auff unßern armen König[5] komme, so hatt er mich gefragt, ob ich lang kein schreiben von E. L. entpfangen hette undt wie E. L. sich befänden; worauff ich geantwort, daß ich eben schreiben von E. L. entpfangen hette undt daß E. L. mir geschrieben hetten, daß sie einen brieff von seiner fraw tochter, die printzessin von Oranien[6], entpfangen hetten, welche sehr lamantirt, ihren herren gegen ihren herrn vatter zu wißen. Der Konig sagte: mitt wortte scheindt es woll, daß sie mich lieb hatt, aber die wercke weißen es anderst auß. Ich nahme ihre parthey, weillen ich sehe, daß sie E. L. undt mein patgen lieb hatt, undt sagte, daß sie ja woll thun müste, was ihr herr haben wolte, allein daß sie nichts desto weniger ein gutt gemüht haben könnte undt ihres herrn vattern unglück mitt schmertzen ahnsehen, daß ich sie sehr hette loben hören alß eine tugendthaffte fürstin, undt derowegen nicht zweiffelte, daß es sie sehr leydt thun würde, ihren herrn vatter gegen ihren herren zu sehen. Wie der König mich so reden hörte, schwig er still, denn der gutte herr ist ja nicht gar vif en replique; er thut auch woll etlich mahl woll, zu schweygen. Jedoch muß [122] ich E. L. verzehlen, was vor ein dialogue er mitt meinem chevalier d’honneur, Mr. de la Rongere[7], gehabt hatt, den ich I. M. geschickt hatte, umb compliment zu machen. Mr. de la Rongere sagte zu ihm: Sire, que sont devenus les François qui estoient avec V. M.? Der König antwortete: je n’en say rien. Comment, sagte la Rongere, V. M. n’en sait rien? est ce qu’ils n’estoient pas avec vous? Vous me pardonnerés, sagte der König, mais je m’en vais vous dire, le prince d’Orange est arrivé avec 40 mille hommes, je n’en avois que la moitié, il avoit 40 canons, je n’en avois que 16; j’ay veu qu’il tiroit son aisle droite du coste de Dublin et qu’il m’alloit couper le chemin et je n’aurois pas pu revenir, sur cela je suis parti et suis venu icy. Mais, sagte la Rongere, on parle de quelques ponts que V. M. n’a pas guardés, aparament vous n’en aviés pas besoin. O pour les ponts, sagte der König, je les avois fort bien fait guarder, mais on y a mené du monde et du canon, et ce canon a fait retirer les troupes que j’y avois mis, et le prince d’Orange les a passé. Durch dießen discours sehen E. L., daß man unß den König nicht in Irlandt verweckselt hatt undt daß er eben derselbe ist, so er immer geweßen. Er jammert mich undt ich kan doch mein lachen nicht halten, wenn ich ihn so gar alber sehe. Er ist fro, hir zu sein, undt lacht immer. … Man sagt, daß der printz von Oranien graff Mainard alle seines herren vattern pensionen gegeben hatt[8] undt l’ordre de la jartiere[9], welches mir wegen unßer Carolline sehr lieb zu vernehmen geweßen. Man sagt auch, daß graff Mainard sich über die maßen woll gehalten hatt undt ursach seye, daß der printz von Oranien die schlagt in Irlandt gewohnen hette. Dießer mont[10] ist woll voller ebenementen[11] geweßen undt glaube nicht, daß man in vielen jahren einen solchen gesehen hatt: drey unterschiedtliche schlachten in einem mont[12] ist doch waß rares …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Juli 1690 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 120–122
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0099.html
Änderungsstand:
Tintenfass