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Brief vom 17. September 1690

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


105.


[126]
Versaille den 17. Sept. 1690.
Vorgestern habe ich E. L. wehrtes schreiben vom 28. Aug. entpfangen, ersehen darauß mitt freüden, daß die lieder E. L. divertirt haben, so ich von unßerm gutten König Jacque geschickt. Wenn ich ihn sehe undt ahn all sein unglück gedencke, so jammert er mich woll; wenn ich aber sehe, mitt waß großer lust er immer jagt undt nach nichts nicht frägt, undt auch wenn er so den bigotten macht undt immer mitt bischöffen undt münchen will zu thun haben, dan macht er mich ungedultig undt das jammern vergeht mir. [127] Er ist doch noch mehr à la mode hir, alß E. L. woll meinen, denn ob man schon lieder gegen ihn macht, das hindert nichts, man macht sie hir auff alles undt niemandes kans entgehen, unßer König selber nicht, noch seine minister. Erst seyder etlichen tagen hatt man eins auff mons. de Saignelay[1] gemacht, welches so lautt:
Quoyque les flatteurs puissent dire
De Saignelay le mal empire
Et bien tost il ora resçus
Pour vous le mieux faire connoistre,
Tourville[2] eraint d’estre pendus
Et Cavois[3] cherche un auttre maistre
.
Da sehen E. L. ja woll, daß man nichts weniger à la mode ist, ob man schon lieder auff einen macht, denn mons. de Seignelay ist nicht allein ministre undt woll bey I. M. dem König, sondern auch er undt sein gantzes hauß undt verwandtschafft seindt die grösten freünde, so mad. de Maintenon hatt, undt seine schwestern seindt immer bey sie. Aber dießes alles ungeacht so sagt ein jedes doch seine meinung von ihnen allen entweder in prose oder in vers. Drumb muß ja der König in Engelandt solches nicht übel finden. Man sagt hir heütte wider auffs neue, daß der printz von Oranien[4] zu Dublin kranck sein solle ahn der rohten rur; weillen seine gemahlin[5] aber E. L. nichts davon geschrieben hatt, kan ich es nicht glauben. Ich bin woll ihrer meinung undt glaube, daß es ein mühsam leben sein muß, eine regirung in Engelandt zu haben, wo die köpffe so auffrührisch sein, glaube also, daß sie von hertzen spricht, wenn sie sagt, daß sie wünscht, daß ihr König wider bey ihr sein möge undt sie den handel loß werden. Ich habe recht gutte opinion von sie, weillen mein patgen E. L. so viel guts von ihr gesagt, glaube also, daß alles was man hir von ihr sagt nicht wahr ist; hir haben sie teüfflische mauller undt seindt erschrecklich medissant, also woll nicht allemahl zu glauben was man von jemandes sagt.
Man meint hir auch, daß in Flandern nichts mehr vorgehen werde. Der König sagte gestern abendts, daß der Churfürst von Brandenbourg undt mons. de Luxembourg ne combattoit presentement que de civillité, wobey denn gar nichts zu befürchten ist. … E. L. judiciren woll gar recht von der Königin in Engelandt[6], so wir hir haben, denn die warheit zu bekenen, so ist sie greülich stoltz undt fier, hatt hir der damen gunst gar nicht dadurch erworben: sie ist lange geweßen daß sie niemandes hatt wollen reverentzen machen, jetzt aber macht sie doch kleine knikerling[7], so unßern damen noch nicht ahnstehen. Etliche sagen, daß sie ihren herren[8] gantz [128] regirt, andere aber sagen, daß er nur seinem eigenen kopff folgt; ich weiß nicht, was vor raht er folgt, allein ich sehe woll, daß der raht nichts deücht, denn seine affairen seindt nicht im gutten standt; sein gendre[9] verstehts beßer undt ich glaube, daß, wenn ihm Gott das leben lest, so wirdt er lenger regieren alß dießer König gethan hatt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. September 1690 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 126–128
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0105.html
Änderungsstand:
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