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Brief vom 29. März 1691

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


111.


[131]
Paris den 29. Mertz 1691.
… Es ist woll ein groß glück, daß mein hertzlieb ma tante nicht kranck geworden ist, nachdem E. L. so zwey harte stöß nach einander [132] außgestanden haben[1]; mir war bitter angst dabey; Gott der allmächtige wolle E. L. erhalten undt alle diße große schmertzen mitt taußendt freüden ersetzen. Die fürstin von Ostfrißlandt[2] muß ein gutt gemüht haben, undt ich weiß es ihr rechten danck, daß sie ihr bestes gethan hatt, E. L. wider zurecht zu bringen. Ich, die so mancherley betrübtnuß schon in meinem leben gehabt habe, ich weiß nur gar zu woll, was es ist, in einem bett zu liegen undt vor trawerigkeit nicht schlaffen können, undt was noch ahm ärgsten ist, ist, daß wenn man ein wenig einschlummert undt darnach in dem schlaff auffährt undt sein unglück einem dan vor augen kompt, das ist etwaß abscheüliches. Ich bin woll gantz von E. L. meinung (hette schir gesagt: von E. L. religion), daß es unchristlich ist, seinen negsten zu plagen, aber alebenwoll, so fangt man alle gottesforcht hir im lande hirmitt ahn undt ich habe große mühe, mich hiran zu gewehnen. Der witman[3] ist ein original undt ich glaube nicht, daß seines gleichen von unendtpfindlichkeit jemahlen sey gesehen worden; wenn man es nicht mitt seinen augen sehe, könte man es ohnmöglich glauben. Wem mein tochter[4] noch wirdt zum theil werden, mag der liebe Gott wißen, allein mich deücht, daß man gar kein sinn hatt, den witwer wider zu einer gemahlin zu helffen, ist mir derowegen leydt, daß der römische König[5] seine tante heürahten wirdt, doch wolte ich lieber, daß mein tochter all ihr leben mademoiselle verbleiben mögte, alß daß man ihr einen überzwergen[6] heüraht zu wegen brächte. Sie weckst erschrecklich, ist schir größer, alß ich, ihre taille wirdt nicht uneben, sie tantzt undt hatt eben dieselbe minen wie die gutte Königin in Spanien seelig[7], wenn E. L. sich ihrer noch erinern, aber von gesicht gleicht sie ihr gar nicht; sie hatt eine hübsche hautt, aber alle traits seindt heßlich: eine heßliche naß, ein groß maul, die augen gezogen undt ein plat gesicht. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. März 1691 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 131–132
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0111.html
Änderungsstand:
Tintenfass