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Brief vom 27. Dezember 1691

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


124.


[141]
Paris den 27. December 1691.
… Ich weiß nicht, wer I. L. dem Churfürsten von Brandenbourg[1] muß weiß gemacht [haben], daß man aigretten mitt demanten hir auffm hutt [142] tregt, denn weder alt noch jung tregt aigretten; ich habe auch ahn niemandes gesehen, alß ein täntzer vom opera, sonsten kan ich E. L. versichern, daß kein seelenmensch aigretten auff dem hutt hatt, kan also ohnmöglich einen abriß davon schicken. Wenn aber I. L. der Churfürst wollen demanten auff dem hutt tragen, das tregt man sehr, nehmblich eine boucle von diamant brillant, so vorn die feder knüpft, undt ahm auffschlag vom hutt tregt man große diamanten, so wie eine agraffe machen, umb den auffschlag fest zu halten … Ich muß E. L. eine kleine historie verzehlen, so vor ein tag oder 14 sich hir zugetragen undt eine gantz neüe manir ist, sich vor eine entpfangene maulschelle zu rechen[2]. Ein capitaine de dragon kam hir zu Paris in ein hauß, wo viel damens kartten spilten; 2 von dießen damens disputtirten mitt einander über etwaß vom spil: eine sagte, die andere hette renoncirt; die andere leügnets; die disputte wurde starck; alle damens undt andere cavaliers, so in der kammer wahren, kamen herzu. Der capitaine dragon kam auch dazu; eine von dießen damen nahm ihn zu richter. Er condamnirte die, so er meinte, so unrecht hette; die steht auff undt gibt ihm eine praffe dichte maulschelle. Er nicht faul sagt: messieurs voila un action d’un homme et non pas d’une femme, il faut m’en esclaircir, springt drauff auff die fraw loß, hebt ihr alle röck über den kopff undt rufft: messieurs, reguardés bien; si c’est un homme, il faut nous couper la gorge ensemble, mais si c’est effectivement une dame, je luy feres[3] la reverence et baisseres[4] la main qui m’a frapé. Alles rieff in der cammer: c’est une femme; darauff ließ er die röcke wider fahlen undt machte eine dieffe reverentz undt ging so davon. Ich glaube, daß E. L. schon werden vernohmen haben, was schöne historien mr. de Mauray, so superieur des peres de la mission des invalides war, ahngestelt hatt, drumb schreibe ich sie E. L. nicht; allein es ist eine wunderliche sache, daß so viel weiber von qualitet in dießer historie gemischt sein, denn es seindt ihrer bey einem dutzendt, einer gab er pension, der andern ein present von 20 000 thaller, einer andern ließ er eine schöne kutzsch machen, eine andere unterhilt er in kleyder, andere in bijoux, in suma er war sehr liberal, undt mr. de Louvoy[5] meinte, es were ein heyliger, gab ihm alle jahr 10 000 thaller, umb es unter die armen zu theillen; das hatt er ahngewendt wie E. L. sehen undt hatt noch überdiß 60 000 thaller schulden gemacht … Coulange[6] habe ich lange nicht gesehen; sein liedt darff man woll singen, denn nach dem papst fragt er nicht viel … Ich habe Monsieur gesagt, daß E. L. curieux sein, ob er auch devot ist; da hatt er von hertzen über gelacht undt sagte: dittes à vostre [143] tante, que je conte plus que jamais mes diamants et que je ne suis pas plus devot que j’estois quand j’ay eu l’honneur de la voir; faittes luy aussy bien des compliment de ma part, aber unter unß geredt, so ist Monsieur doch auch devot, denn das divertirt ihn recht, undt weill er die ceremonien lieb hatt, so divertirt ihn alles was devotion ist. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Dezember 1691 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 141–143
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0124.html
Änderungsstand:
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