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Brief vom 21. Februar 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


126.


[144]
Versaille den 21. Februari 1692.
… Man hatt E. L. übel bericht, daß ich mich wegen der hochzeit[1] solle kindisch gestelt haben; ich bin leyder in keinem alter mehr, kindisch zu sein; waß ich mich nun kindisch stellen solte, müste pure thorheit sein … Was mein schwiegertochter ahnbelangt, so werde ich keine mühe haben, mich ahn sie zu gewehnen, denn wir werden nicht so offt bey einander sein, daß wir einander verdrießlich fallen mögten; ordinari ist sie des particuliers du roy, welches ein sanctum sanctorum ist, wo sterbliche menschen wie ich bin nicht hinkommen; ihre jahre undt die meine seindt gar unterschiedtlich, also werde ich meiner tochter die sorge laßen, I. L. zu divertiren; morgendts undt abendts bon jour undt bon soir zu sagen, ist baldt gethan. Was mein sohns advantage ahnbelangt, so wünsche ich, daß es so köstlich sein möge alß man es E. L. gesagt hatt, allein weillen alles schir auff versprechen undt hoffnung ist, bin ich noch nicht in dießer sachen sehr verblendt worden undt muß ich gestehen, daß ich nie habe begreiffen können, wie daß Mons. sein sohn, Mons. sage ich, der so perfect woll undt in aller soumission undt gehorsam mitt dem König lebt, nicht hoffen könte, daß der König seinem eintzigen sohn genung geben solte, umb nach seinem standt zu leben, ohne ihn zu zwingen, einen gar ungleichen heüraht zu thun. Dieße ursachen haben mich dermaßen betrogen, daß ich die armut meines sohns nie habe begreiffen noch fürchten können, also auch die freüde nicht genießen kan, ihn auß dem ellendt zu wißen. …
E. L. wißen ja woll, daß schon zu Ovidius zeitten die Themis oder justice diße welt verlaßen undt sich in den himmel retirirt hatt, also woll hir nicht zu finden wirdt sein; ich weiß nicht, wo sie ist, denn seyder 20 jahr, daß ich in Franckreich bin, hab ich sie nie zu sehen bekommen, was ich aber täglich gesehen habe undt noch sehe, das ist die abscheüliche partialitet undt blinde complaissance, so man vor alle die hatt, so die jungen lieb haben; undt die sich hir vor heylige außgibt, ist die, so sie alle erhelt undt alle ehrliche leütte durch dieße cabale unterdrücken lest. Ich habe von hertzen lachen müßen über das, was E. L. mir hirauff sagen undt wo man E. L. nicht accusiren kan, daß sie ein blat vor den mundt genohmen undt nicht gutt teütsch gesprochen. … [145]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Februar 1692 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 144–145
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0126.html
Änderungsstand:
Tintenfass