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Brief vom 30. November 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


154.


[171]
Versaille den 30. November 1692.
… Ich weiß nicht, ob wir morgen unßern gutten König in Engellandt auff der jagt haben werden, denn wo wir jagen werden ist all zimblich weit von St. Germain, doch glaube ich, daß I. M. geschäffte sie nicht verhindern werden, auff dieße jagt zu kommen. Vor 8 tagen jagten wir mitt einander, da war er auch gar lustig. E. L. haben woll groß recht, zu glauben, daß König Wilhelms regirung nicht ohne sorgen undt chagrin sein kan, denn es ist woll gewiß, daß die Engelländer wunderliche köpffe sein, undt das glück folgt nicht allezeit seinen gutten intentionen, wie man woll sicht; aber das hatt er doch zum trost, daß er doch zum endt geführet hatt was er ahngefangen undt gewiß keine geringe figur in Europa macht. Man sagt hir, seine gemahlin[1] seye sehr ambitieuse; wenn das ist, hatt sie doch auch trost, denn wenn ihr herr in der armée ist, regirt sie ja über 3 Königreiche. Solte sie aber so wenig ambition haben alß ich, hergegen aber ihren herrn vatter[2] recht in der that lieb haben, alß wie ich I. G. den Churfürsten[3] seelig gehabt, so ist sie woll zu beklagen. Ich kan es aber schwerlich glauben, denn ich fühle in mir selber, daß kein pretext in der welt mich hette persuadiren können, was gegen I. G. den Churfürsten seelig zu thun; man hette mir eher das leben genohmen. Es ist mir leydt, wenn ich dem Churfürsten von Bayern unrecht gethan habe, ihn zu soubconiren; allein E. L. müßen mir es gnädig verzeyen. Man hört undt sicht hir nichts anderst alß solche leütte, also kein wunder, daß man glauben kan, daß anderwert auch dergleichen laster sein mögen. Hir were es inmanquable, wenn man von einem fürsten sagte, daß er gerne schöne undt wollgeschaffene leütte sicht, undt ob sie schon die dames lieb haben, hindert solches nicht. Es seindt nicht 6 hir, so nur bloß auff einen schlag debauchiren, aber mehr alß taußendt, glaube ich, so vor manns- undt weibsleütte sein undt sich ahnstellen, alß wenn sie die [172] damens gar lieb haben, aber nichts desto weniger große debauchen mitt ihren freünden thun; brot eßen ist nicht gemeiner hir in Franckreich nun, alß obgemeltes laster. Das macht auch, daß schir alle junge leütte vom hoff gantz ohne politesse sein undt wie rechte bawern …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. November 1692 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 171–172
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0154.html
Änderungsstand:
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