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Brief vom 30. Mai 1694

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


181.


[194]
Versaille den 30. May 1694.
Wie sehr ich erschrocken, zu sehen, daß mein hertzlieb ma tante kranck zu Wißbaden geworden, kan ich E. L. nicht außsprechen … Es ist gewiß, daß des letztverstorbenen Churfürsten von Saxsen[1] gantzes leben ein rechter außführlicher roman. Ich zweyffle nicht, daß hertzog Anthon Ulrich es auffsetzen wirdt, das kan I. L. helffen, die romische Octavia[2] außzuschreiben. Ich habe mühe zu glauben, daß die filtre[3] solche große macht haben können, glaube vielmehr, daß, weillen der Churfürst so verliebter complection war, daß die gräffin mutter[4], so verstandt hatt, ihn dermaßen von kindtheit auff gekent hatt, daß sie gewust, wie er zu fangen seye, undt ihre tochter unterricht, ihn mehr undt mehr verliebt zu machen. … Solte der frieden nicht baldt kommen, wirdt es gewiß gar elendt hergehen, denn wie es nun hir beschaffen ist, ist unaussprechlich undt nicht glaublich, wenn man es nicht selber sehe. Ich glaube warhafftig, daß all das sengen undt brennen unglück gebracht undt daß man deßwegen hir von allen bataillen undt stetten, so man gewindt, nicht profittiren kan; E. L. vergleichung mitt dem hießigen standt undt dem kreps ist gar just getroffen … Ich bin gantz E. L. meinung: die comedie von Medée[5] hatt mir gar nicht gefahlen undt finde die von Cornelli[6] unvergleichlich schöner. Die hunde seindt die beste leütte, so ich in gantz Franckreich gefunden, habe deren auch allezeit 4 bey undt umb mich … [195]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Mai 1694 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 194–195
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0181.html
Änderungsstand:
Tintenfass