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Brief vom 8. Juli 1694

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


183.


[195]
St. Clou den 8. Julli 1694.
… Behütte mich Gott der allmächtige, daß ich mein leben nicht erleben möge, E. L. himmeln[1] zu sehen, will selber lieber sterben, undt bin ich woll versichert, daß, so sehr E. L. kinder sie auch respectiren, ehren undt lieben mögen, daß meine sentimenten die ihrige noch übertreffen … Ich kan E. L. nicht genung sagen, wie leydt es mir ist, so greülich dick zu werden, denn das macht mich so schwer, daß ich schir keine exercitzien mehr thun kan ohne incommoditet. Ich kan nicht begreiffen, wovon ich so fett werde: niemandes in Franckreich ißt weniger alß ich, ich schlaffe nicht viel, keine 7 stundt ahn einem stück, ich gehe viel, lache gar wenig, kan also nicht begreiffen, waß mich so dick macht. Ich wolte lieber mager wie ein stock sein, alß wie ich bin … Wenn E. L. nichts auß Carl Moritz[2] haben ziehen können, würde ich ihm woll keine minen geben können; Louise[3] hatt mir geschrieben, [196] daß er zum printz Louis[4] wirdt. Ich hoffe, der krieg wirdt ihm beßere minen geben. Die männer müßen noch mehr reverentzen hir machen, alß die weiber. Ich gestehe, daß ich noch wie ein kindt von hertzen gerne die merger[5] von zauberey höre; vergangen jahr laße ich ein buch expresse vom Rübezahl, das hatt mich recht divertirt … Ich bin woll E. L. meinung, daß nichts beßer vor die gesundtheit ist, alß eine freye frische lufft; wenn das wetter zu Herrenhaußen wie hir ist, werden E. L. praff spatziren können. Es ist vor etlichen tagen etwaß zu Trianon vorgangen, worinen meines sohns gemahlin ihren großen verstandt, den man so sehr rümbt, woll gar nicht erwießen. Der König, umb Monsieur, so nach Trianon kommen war, einen poßen zu thun, befahl ahn den princessinen, sie sollten ihm abendts petards vor seine kammer schießen, umb I. L. auffzuwecken. Mad. de Chartre[6] hette woll sagen können, daß sie zu viel respect vor Monsieur hette, umb so mitt ihm zu spillen, aber nein, sie schweigt still undt lest ein fewer vor Monsieurs fenster machen undt einen solchen rauch in seine cammer, daß er nicht drin bleiben konte undt vor 4 uhr morgendts nicht in sein cammer kommen konte, welches ihm eine abscheüliche migraine geben undt recht erzürnt hatt. Der König, alß er gesehen, daß man sein gebott übertretten, hatt Monsieur umb verzeyung gebetten vor sich undt vor den princessinen. Wer ahm meisten hirüber eingebüst hatt, ist mad. da Maine[7], denn Monsieur im durchgehen in ihrer kammer hatt ihr ein glaß waßer ins bett geschüdt, also hatt sie erst ihre laken druckenen müßen undt nicht eher alß Monsieur nach bett gekönt. Monsieur hatt gar woll davon gesprochen undt gesagt, er mögte wünschen, in einem alter zu sein, wo die kinderspiel undt pagenpossen ihm ahngenehm sein könnten, er were es aber leyder nicht. Ich muß gestehen, daß dieße impertinentz mich recht auff mad. de Chartre verdroßen hatt; ich habe auch kein bladt vors maul genohmen, sondern mein meinung plat herauß gesagt. Der König macht seine bastard zu mutwillich undt verdirbt sie gantz; sie bilden sich ein, sie seyen mehr alß wir andern; das kan mich recht verdrießen; mitt mir machen sie sich nicht so gemein, denn sie wißen woll, daß ichs nicht leyden würde …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Juli 1694 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 195–196
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0183.html
Änderungsstand:
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