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Brief vom 13. Februar 1695

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


195.


[207]
Versaille den 13. Februari 1695.
… Ich glaube, das freüllen von Allen[1] mag woll recht reformirt sein, denn es ist viel leichter, weniger alß mehr zu glauben … Wie kan die hertzogin von Zelle glauben, daß ihre dochter nicht unglücklich werden würde [208] mitt solchen maximen, wie sie sie erzogen hatt, denn welchen herren findt man in der welt, so allein seine gemahlin liebt undt nicht waß anderst, es seyn maitressen oder buben, dabey hatt? Solten deßwegen ihre gemahlin auch so übel leben, könte, wie pate gar woll sagt, niemandt sicher sein, daß die kinder im hauß die rechten erben wehren. Weiß dieße hertzogin nicht, daß der weiber ehre daran ligt, mitt niemandes alß ihren männern zu thun zu haben undt daß den männern keine schande ist, maitressen zu haben, aber woll, hannereyen[2] zu sein? Daß sie es also wenig leyden undt die weiber sich derowegen nur taußendt unglück ahm halß ziehen, wenn sie solches unterfangen? Ihrer dochter unglück wirdt ihr dießer warheitten nur gar zu viel lernen.
E. L. können nicht glauben, wie plump undt ungezogen alle Frantzosen seyder ein jahr 12 oder 13 geworden. Es seindt nicht zwey von den jungen leütten von qualitet, so zu leben wißen weder ihm[3] reden noch ihm[4] thun. Zwey gar differente sachen seyndt hirin ursach, nehmblich die jetzige devotion bey hoff undt die desbauche mitt den männern, denn die erste macht, daß männer undt weiber nicht offendtlich mitt einander reden dörffen, welches vor dießem die cavalir polirt hatt, undt zweytens so wollen sie durch der buben lieb niemandes mehr gefahlen alß sich unter einander, da der beste ist, so ahm desbauchirsten, plumpsten undt frech sein kan; daran gewehnen sie sich so sehr, daß niemandes mehr zu leben weiß undt ärger sein alß die bawern hinter dem pflug … Hertzog Jörg Wilhelm ist woll ein gutter herr, sich die mühe zu geben, so offt ab undt zu zu ziehen, umb seine gemahlin zu trösten. Solche gutter männer seindt rar in dießer welt undt wirdt man wenig seines gleichen finden. E. L. haben groß recht, lieber bey frölichen alß trawerigen leütten zu sein. Der gutte König Salomon ist nicht allzeit einerley humor in seinen schrifften, aprobirt offt waß er vor naredey gehalten. Das lachen fengt mir ahn jetzt all schwer zu werden; ich lache jetzt nicht so viel in einem jahr, alß ich vor dießem in einer wochen taht. Ich sehe auß waß E. L. mir von der Churfürstin von Bayern[5] verzehlen, daß wenn ihr Churfürst[6] sie nicht mehr lieben wirdt undt maitressen nehmen, daß sie baldt der hertzogin von Zelle maxime folgen wirdt … Es ist eine große ehre, in der predig ahn des Königs seytte zu sitzen, allein ich mögte gerne die ehre einem andern laßen, denn I. M. wollen mir das schlaffen nicht erlauben; sobaldt ich einschlaff, stöst mich der König mitt dem ellenbogen undt macht mich wacker[7], kan also weder recht einschlaffen noch recht wacker werden, undt das thut einem wehe im kopff. Monsieur le dauphin hatt eine feste resolution genohmen, keine eintzige predig in der fasten zu hören, alß nur den Palmensontag … [209]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. Februar 1695 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 207–209
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0195.html
Änderungsstand:
Tintenfass