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Brief vom 15. Mai 1695

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


208.


[216]
Paris den 15. May 1695.
… Der garten hir hatt nun schaden; die bäume seindt sehr gewachsen seyder E. L. nicht hir geweßen, undt er ist schön, aber man kan ohnmöglich drinen mitt lust spatziren, ist allezeitt zu viel canaille drinen undt man kan keinen schrit drinen thun, ohne von hundert fenstern gesehen zu werden, gehe derowegen nie ’nein. Ich bin fro, daß E. L. braff zu Herrenhaußen spatziren, denn das ist gesundt. … Wenn es wahr ist, daß man wider jungfer wirdt, wenn man in langen jahren bey keinem mann schläfft, so muß ich wider eine jungfer geworden sein, denn seyder 17 jahren haben mein herr undt ich nicht bey einander geschlaffen[1], mögte aber, umb es gewiß zu wißen, nicht in der [217] herren Tartaren hände fallen. Die Tartaren müßen mehr vom gefühl alß vom gesicht halten in den 5 sinnen, weillen sie lieber alte alß junge weiber haben … Ich hoffe, daß ich, ob Gott will, auch baldt werde die nachtigallen singen hören. Ich bin wie E. L.: ich höre lieber nachtigallen undt frösch, alß die schönsten menschenstimmen von der welt; die fröschmusiq hatt nun ein endt, aber die nachtigallen singen noch … Heütte weiß ich gar nichts neües undt bin recht leünisch, denn man hatt mir gestern abendts gesagt, daß das geschrey von dem maußdreck[2] ärger ahnfengt alß nie; das macht mich bang undt fürchte, daß ich viel widerige händel bekommen werde, wenn der hoff wider hir wirdt sein …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Mai 1695 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 216–217
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0208.html
Änderungsstand:
Tintenfass