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Brief vom 1. März 1696

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


233.


[236]
Marly den 1. Mertz 1696.
… Wir werden hir nun baldt ein langweilliges leben haben, denn wir haben ein jubilée, welches woll übel genent ist, denn nichts ist traweriger: man muß alß in die kirchen stecken, viel fisch eßen, fasten undt communiciren; zudem so hören alle divertissementen in der zeit auff, kein opera, kein comedie wirdt gespilt, summa alles ist langweillig. König Jacob wirdt sein jubillée auff der see halten, denn I. M. seindt vorgestern verreist nach Calais, wo er sich mitt einer armée embarquirt, umb nach Engellandt zu gehen[1]; wie es ablauffen wirdt, sal de tied leeren. … Babet sagt, die gräffin Platten drinckt alle abendts ein tabackspfeif auß mitt denen damen, so ich E. L. genent habe[2] undt das gantz offendtlich, muß also nicht böse werden, daß Babet es nachsagt. Ich kan leicht glauben, daß E. L. lieber den schönen agathen geschnitzte apotheose[3] d’Auguste hetten, alß alle reliquien von der welt. Es felt mir eine historie ein apropo von reliquien, das muß ich E. L. noch verzehlen, ehe ich schließe. Der duc de Crequi[4] hatt einen gantzen heyligen von Rom kommen laßen undt ahn ein closter (ich weiß nicht mehr welches) verehrt nach seiner ambassade[5]. Wie die quaisse mitt dem heyligen ahnkame, entpfing man es mitt großen ceremonien, undt wie man die quaisse auffpaqte, saß jederman gar devot auff die knie, die reliquien zu küßen. Der priester zog etwaß lang eingepacktes herauß, meinte, es were ein arm oder bein vom heyligen, ließ es gar devot küßen. Wie man aber weiter auffpackte, fandt es sich, daß man eine quaisse vor die andere genohmen hatte undt die, so devot war entpfangen worden, waren lautter saucissen de Boulogne undt käß, undt waß man vor ein arm oder bein geküst, war ein lange wurst; den heyligen aber hette man schir auff die taffel gebracht vor ein saucissen. Diß ist eine gar warhaffte historie. Neües ist hir jetzt [237] gar nichts, man redet von gar nichts alß Königs Jacobs reiße undt des duc d’Hamiltons revolte in Schodtlandt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. März 1696 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 236–237
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0233.html
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