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Versaille den 5. Aprill 1696.
… Daß eines nach dem andern hingeht, ist ein gar schlechter trost;
ich wolte lieber, daß die welt nicht so lang werte undt daß die, [welche] mir
lieb sein, lenger leben mögten. Wenn die menschen sich unter einander recht
verstehen wolten, würde das leben eben nicht so gar verdrießlich sein, alß es
ist. Das erweist mir aber just, daß ein verhencknuß ist, weillen die menschen,
die doch woll wißen, daß sie nur eine kurtze zeit zu leben haben, es nur
zubringen, sich selbst undt andere unglücklich zu machen; müßen also woll einen
andern trieb alß die vernunfft folgen. … Unßer gutter König in Engellandt
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jammert mich zwar, würde mich aber noch hundert mahl mehr jammern,
wenn er sich nicht so von den pfaffen undt mönchen regieren ließe. Es ist
mir allemahl recht leydt, wenn ich vernehme, daß oncle
[2] sich in sein keffig
einspert, denn das kan doch nicht gesundt sein. Es kompt nun eine zeit
heran, die eben nicht zeitvertreiblich sein wirdt, nehmblich die Osterwoche.
Gestern haben wir aber noch eine commedie gehabt, eine gantz nagelneüe,
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so Agripa heist ou la mort d’Auguste
[3]; sie fengt woll ahn, der erste acte
ist nicht schlim undt meint man würde waß schönes sehen, aber gleich im
zweyten acte wirdts nichtsnutz undt alle die 3 andern folgen dem zweyten.
Er macht Julia, Augustus’ dochter, alß wie die ehrlichste fraw von der welt,
die ahn nichts alß ihres sohns bestes denckt, das choquirt recht; Tibere
macht er sterbensverliebt; endert also alles von der rechten historie. …