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Brief vom 5. April 1696

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


237.


[241]
Versaille den 5. Aprill 1696.
… Daß eines nach dem andern hingeht, ist ein gar schlechter trost; ich wolte lieber, daß die welt nicht so lang werte undt daß die, [welche] mir lieb sein, lenger leben mögten. Wenn die menschen sich unter einander recht verstehen wolten, würde das leben eben nicht so gar verdrießlich sein, alß es ist. Das erweist mir aber just, daß ein verhencknuß ist, weillen die menschen, die doch woll wißen, daß sie nur eine kurtze zeit zu leben haben, es nur zubringen, sich selbst undt andere unglücklich zu machen; müßen also woll einen andern trieb alß die vernunfft folgen. … Unßer gutter König in Engellandt[1] jammert mich zwar, würde mich aber noch hundert mahl mehr jammern, wenn er sich nicht so von den pfaffen undt mönchen regieren ließe. Es ist mir allemahl recht leydt, wenn ich vernehme, daß oncle[2] sich in sein keffig einspert, denn das kan doch nicht gesundt sein. Es kompt nun eine zeit heran, die eben nicht zeitvertreiblich sein wirdt, nehmblich die Osterwoche. Gestern haben wir aber noch eine commedie gehabt, eine gantz nagelneüe, [242] so Agripa heist ou la mort d’Auguste[3]; sie fengt woll ahn, der erste acte ist nicht schlim undt meint man würde waß schönes sehen, aber gleich im zweyten acte wirdts nichtsnutz undt alle die 3 andern folgen dem zweyten. Er macht Julia, Augustus’ dochter, alß wie die ehrlichste fraw von der welt, die ahn nichts alß ihres sohns bestes denckt, das choquirt recht; Tibere macht er sterbensverliebt; endert also alles von der rechten historie. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. April 1696 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 241–242
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0237.html
Änderungsstand:
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