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Brief vom 16. Mai 1696

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


239.


[243]
Marly den mitwog 16. May 1696.
… Wenn ich zu St. Clou sein werde, will ich E. L. gesundtheit hinwider in creüterwein drincken; aber zu St. Clou seüfft man sich nicht voll, das laßen wir dem maußdreck. Es ist mir lieb, daß mein brieff die gutte fraw von Klenck so sehr erfrewet hatt; ich hoffe, daß das contentement, so ihr mann ihr gibt, sie wider zur gesundtheit helffen wirdt, denn nichts ist gesunder, alß vergnügt zu sein. Ich glaube, daß das attachment von der mad. Galli[1] sie allein verdroß, denn daß ihr mann ungefehr nur ein wenig nebenhin geht, das kan ja nichts schaden. Meine meinung ist, daß eine fraw immer ursach hatt, content von ihrem mann zu sein, wenn er woll mit ihr lebt undt kein mangel in nichts lest, denn in meinem sin[2] ist das die gröste marque von freündtschafft, wenn man einem gemachlich zu leben gibt undt nicht plagt. Es ist ein großer irthum in dießer welt, sich einzubilden, daß man ein hertz allein besitzen kan; ich gestehe zwar, daß es ahngenehmer were, wenn es sein könte, allein es ist ohne exempel in der welt, daß dießes lang hette dawern können. Derowegen gar ohnnohtig, waß zu pretendiren, so nicht möglich ist. Allein waß gar möglich were, ist, daß man seiner frawen keine plage ahnthut, sie nicht beschreyet undt allen menschen zuwider macht undt allezeit einen innerlichen haß erweist, auch wenn man ihr die besten minen macht, undt allezeit das nohtwendige manglen lest, wenn man augenscheinlich ahn andere die hüll undt die fülle gibt undt alle der frawen gutt dazu ahnwendt: das seindt harte stücker zu verdawen … Ich bin woll E. L. meinung, daß keine schönere musiq sein kan alß die von den nachtigallen; die frösche höre ich auch gar gerne in dießer zeit. Wir seindt hir ahn einem schönen ort; ich glaube nicht, daß ein schönerer garten in der gantzen welt kan gefunden werden, in meinem sinn übertrifft er noch Versaille undt Trianon. Ich spatzire alle abendt 2 gantzer stunden … Ich habe in meinen jungen jahren verzehlen hören, daß der römische König, von welchem E. L. reden, [244] verliebt von mein hertzlieb ma tante geweßen were undt E. L. geheüraht hette, wenn er nicht gestorben were[3]. Ich habe sein contrefait zu Heydelberg im gläßern sahl gesehen, war blaundt, weiß undt rott, undt doch heßlich. … Wie einfeltig der große mann in der religion ist, ist nicht zu begreiffen, denn sonsten ist er nicht einfeltig. Es kompt aber daher, daß er nie nichts von religionssachen, noch die bibel geleßen undt nur vor sich hin glaubt was man ihm von der religion vorschwatzt[4]. Drumb auch, alß er eine metres hatte, die nicht devot war[5], war er es auch nicht, da er aber in eine verliebt geworden, so immer von penitentz spricht[6], glaubt er alles was dieße ihm sagt, auch so, daß der beichtsvatter[7] undt die dame gar offt uneins sein, denn er glaubt sie mehr, alß den beichtsvatter, will sich aber selber die mühe nicht geben, nachzuforschen, welches eygendtlich die religion ist. Eines ist auch nicht zu leügnen: daß der große mann bißher über die maßen glücklich geweßen ist; ob diß glück aber noch lang bestandt haben wirdt, soll unß die zeit lehren. …
Die metwürst, fürchte ich, werden nicht so woll hir überkommen alß mein tintefaß, denn das ist gar tentant; ich förchte, sie werden sie mir auff der douane freßen, welches mir gar leydt sein solte, denn ich mögte sie gerne selber auff E. L. gesundtheit eßen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Mai 1696 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 243–244
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0239.html
Änderungsstand:
Tintenfass