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Brief vom 3. Juni 1696

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


242.


[245]
St. Clou den 3. Juni 1696.
Ehe ich auff E. L. gnädiges schreiben vom 25. May antworte, muß ich E. L. vorher eine wunderliche historie erzehlen, so sich vor etlichen tagen zu Paris zugetragen hatt von zwey damens, die eine will ich woll nenen, [246] die andere aber wolte ich gerne verschweygen, weillen sie der gutten ehrlichen mad. de Vantadour[1] schwester ist, aber die sach ist gar zu publick, alle welt weiß es, drumb werde ich sie auch nenen; es ist die duchesse de la Ferté[2] undt die andere ist auch eine fraw von condition, so ihre große freündin ist undt mad. de Vito heist. Dießen zwey damen war in den kopff kommen, von jemandes geliebt zu werden, undt ob sie zwar gar gutte freünde sein, haben sie einander die sache nicht vertrawet. Es ist ein weib zu Paris, so die reputation hatt, allerhandt künste zu können; zu dießer gingen dieße beyde dame jede à part undt forderten vom weib etwaß, umb sich lieben zu machen. Das weib sagte ahn beyde, daß solches leicht geschehen könte, wenn sie nur von einem frisch gehenckten kerl seine 7 sachen gantz geschwindt abschneyden laßen undt noch warm haben könten. Damitt fuhren die damens jede noch besonders zum hencker, umb einen henckersknecht zu bestechen; die eine offrirte ahn einen knecht 50 pistollen, die ander ahn einen andern 30. Kurtz hernach begabe sichs, daß ein kerl undt übelthäter zu Paris gehenckt wurde. Zu allem unglück vor dieße damen trugs sich zu, daß die beyden henckersknecht sich bey der execution befanden. Sobaldt der kerl gehenckt, wolte jeder mitt seinem meßer hinter dem körper her, umb sein versprochen gelt zu gewinen; einer stieß den andern weg, endtlich zanckten sie, vom zanck kam es zu einer schlagerey. Der pöpel, so gesehen, daß die zwey knechte den todten körper hatten schänden wollen, fiellen auff sie loß undt schrien, man solte die schelmen hencken. Da wurden die zwey schinder gezwungen zu gestehen, daß sie den cörper so hetten schänden wollen, weillen dieße damen, so sie überlautt nenten, ihnen 30 undt 50 pistollen versprochen hetten, undt verzehlten die gantze historie offendtlich. Das kam schön herauß. Die arme mad. de Vantadour, so eine rechte tugendtsame fraw ist, jammert mich; sie ist kranck auß purer betrübtnüß [über das,] waß ihrer schwester da begegnet ist. … Ich habe allezeit remarquirt in alles was König Wilhelm gethan, daß er gar nicht blutgirich ist. Ich kan nicht begreiffen, warumb die leütte in Engellandt nicht umb pardon bitten, da sie doch sehen, daß König Wilhelm ihnen gnade gibt, wenn sie es begehren, denn ihr todt kan ja König Jacobus zu nichts dinnen. Wenn was man von König Wilhelm gesagt, nicht wahr were, so were es doch vraysemblable, denn es ist gar wahr, daß die zwey andere Könige schuldig sein, daß er auff dem thron ist undt daß er sich noch jetzt erhelt. König Jacob gestehet selber, daß, wenn man in Hollandt gangen were ahnstatt in die Pfaltz[3], würde er noch auff den thron sitzen, denn ich habe einmahl mitt ihm davon gesprochen. Aber eine sache, so ich nie habe begreiffen können undt welches ich I. M. nie [247] habe fragen dörffen, ist, warumb er die 30 000 pistollen bar gelt, so er in seinem cabinet in Engellandt hatte, nicht ahngewendt hatt, guts zu thun undt die gemühter seiner unterthanen ahn sich zu ziehen, damitt sie ihm trew bleiben mögten, auch warumb er diß gelt nicht mitt sich genohmen, sondern in seinem cabinet gelaßen hatte; das, deücht mir, ist doch eine erschreckliche einfalt. …
Die Königin in Spanien ist todt undt ahn ihrem krebs gestorben[4]. Unßer maußdreck[5] hatt sich seyder ihres manns abzug noch einmahl sternsvoll gesoffen; ich fürchte, sie wirdt sichs ihr leben nicht mehr abgewehnen. Man muß die warheit bekennen: mein bub hatt sich übel mitt dießem menschen besudelt, denn es ist nichts guts dran. Ich höre nichts mehr von E. L. maußdreck[6]; waß thut die nun? Es ist zeit, daß ich schließe. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Juni 1696 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 245–247
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0242.html
Änderungsstand:
Tintenfass