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Brief vom 2. Januar 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


269.


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Versaille den 2. Januari 1697.
… Ich erinere mich noch woll des hertzogs von Wolffenbüttel, so princes Christine[1] gehabt hatt, er hieß Albrecht Ferdinand[2], threhet die augen so wunderlich herumb undt spilte spielger mitt mir, wie ich zu Wolffenbüttel mitt E. L. war. Es ist auch derselbe, wo mir recht ist, so einmahl so dolle händel mitt hertzog Anthon Ulrich, seinen herrn bruder, ahngefangen hatt. Ich kan nicht begreiffen, wie daß von so zwey narischen leütten, wie dießer herr undt seine gemahlin waren, so artige undt gescheydte kinder haben bekommen können. Weillen der graff Guldenstern[3] so starck auß dem halß stinckt, muß man hoffen, daß er inwendig verfault ist undt nicht lang leben wirdt undt die schwedische pfaltzgräffin hernach woll undt gemächlich wirdt leben können, weillen er so reich ist. Die Orora[4] Königsmarckin muß eine wunderliche creatur sein undt gantz ohne schamhafftigkeit, daß sie burgemeister undt sindicus in einer statt zu zeügen nimbt, wie sie einen bastard auff die welt bringt[5]. Mich deücht, Teütschlandt wirdt gantz anderst, alß es zu meiner zeit war, denn von solchen unverschämten sachen habe ich nie gehört. … Der printz von Walis ist starck vor sein alter, reitt undt schiest schon seyder ein jahr. Mich deücht, König Jacob hatt vor dießem woll vor gehertzt undt ferm passirt, aber nie vor ein groß verstandt, denn ich erinere mich, daß mad. de Fiene[6] mir alß sagte vom verstorbenen König in Engellandt[7] undt von dießem[8]: le Roy d’Angleterre a beaucoup d’esprit et est fort agreable, mais foible, le duc de Jorc[9] a du courage et de la fermeté, mais il n’a point d’esprit et est ennuyeux à mourir. Auch andere hir, so ihn gesehen, alß er noch auff seinen thron war, haben mir ebenso davon gesprochen; allein E. L. threhen die sach so gar artig herumb vor König Wilhelm, daß man recht meinen solte, es were so undt der verstandt ahn der englischen cron fest; wenn König Wilhelm nicht schon den selben verstandt alß printz von Oranien erwießen, so er jetzt alß König in Engellandt hatt. Ich glaube, daß die historien, so man nach unßern zeitten von dießem hoff schreiben wirdt, artiger undt zeitvertreiblicher alß kein roman sein werden; ich fürchte, unßere nachkommen werden es nicht glauben können undt nur vor märger halten. … Ich erinere mich nicht mehr, wo es in der h. schrifft stehet, daß man altem weibergeschwetz nicht glauben solle[10], aber baldt werde ich interesse haben, solches nicht mehr zu citiren, denn ich fange auch ahn, nicht mehr jung zu sein. Der junge herr von Obdam[11] muß ein gutt gedachtnuß haben, sich noch zu erinern, mich in Hollandt gesehen zu haben, [271] denn es ist nun 36 jahr, daß ich mitt E. L. dort war. Ich wolte, daß dießer herr schon hir were, denn es were ein zeichen, daß es friede were. Ich bin ihm verobligirt, daß er eine reiße expres hir thun will, mich zu sehen. E. L. undt ich haben den vortheil, daß, weillen wir nichts von les affaires d’estat wißen, können wir davon sagen, waß unß im kopff kompt, da andere, die es wißen, gar nicht reden dörffen auß forcht, den staadt zu verrahten. Ich muß lachen, daß E. L. sagen, daß die pfaffen nur allein hir im lande commedie spiellen wollen. Solte ich die schloßkirch zu Hannover nun sehen, würde ich sie nicht mehr kenen, nun sie oncle so schön hatt mahlen undt vergülden laßen. I. L. haben woll gethan, den pfaffen das maul so zu stopffen, denn nichts ist verdrießlicher alß ihr plerren. Die lutherische lieder divertiren recht zu singen; dörffte ich sie hir singen, würde mir die zeit bey weittem nicht so lang in der kirch fallen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Januar 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 270–271
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0269.html
Änderungsstand:
Tintenfass