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Brief vom 16. Mai 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


289.


[288]
St. Clou den 16. May 1697.
… Vorgestern war ich zu Paris, denn das arme kindt, madlle de Chartre[1], lag auff den todt; man erwartet nur ihr endt; jammerte mich recht, allein wie ich sahe, daß ihre fraw mutter[2] keinen threnen vergoß, ihr großvatter[3] nur ahn spiellen dachte undt deßwegen zu Sessac[4] ging, die mutter sich eine braffe colation von 4 großen schüßeln vorsetzen ließ, dachte ich, daß es eine thorheit ahn mir were, mich allein zu betrüben; weillen ich aber das spectacle ohne mühe nicht ahnsehen konte, setzte ich mich hübsch in kutzsch undt fuhr wider her. … Es ist eine wunderliche sache, daß man sich einbildt, man könne Gott nicht gefahlen, ohne gantz einfältig zu werden. Mich deücht, man würde Gott mehr gefahlen, allen sein witz undt verstandt ahnzuwenden, ihm zu dinnen, denn weillen wir, umb Gott zu gefahlen, nach seinem ebenbildt sein müßen undt Gott der allmächtige ja die weißheit selber ist, so, deücht mir, ist es gantz ungereimbt, daß man, ihm zu gefahlen, die einfalt erwehlt. … Es erscheinet woll, daß König Wilhelm von einem andern humor ist alß sein schwigerherrvatter[5]. Ich will Hamilton übermorgen fragen, waß toris undt wichs heist. Es scheindt auß was E. L. mir belieben zu verzehlen, daß König Wilhelm gar woll weiß, wie man mitt dießer nation umbgehen muß … Gestern kam die zeittung, daß Ath[6] belägert ist; das lest sich doch noch gar kriegerisch ahn[7]. Gott gebe, daß ein gutter frieden drauff erfolgen möge …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Mai 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 288
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0289.html
Änderungsstand:
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