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Brief vom 1. September 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


308.


[302]
St. Clou den 1. Septemb. 1697.
… Man sagt, daß der Churfürst von Saxsen, dießer neüe König, viel scandalle solle gemacht haben, hette sich erstlich in der communion den kelch dareichen laßen, wie man ihm aber in der großen meß die patine hatt wollen küßen machen, hette er es nicht thun wollen, doch endtlich hingangen, hette aber überlautt gesagt: Man hatt mir zu freßen undt zu sauffen geben, jetzt macht man mich die schüßel lecken, welches die geistlichen undt andere mehr dermaßen solle geärgert haben, daß sie von stundt ahn auß der kirchen gangen sein undt des neüen Königs parthie verlaßen undt sich zu des printz de Conti seine geschlagen. Man setzt noch dazu, daß der Churfürst seine troupen mitt gewalt hette in Craco[1] einziehen laßen, welche gleich ein abscheülich desordre sollen ahngefangen haben, kirchen geplündert, weiber violirt undt alles in rapusse[2] gepracht; welches dießen herrn abscheülich solle verhast gemacht haben. Ich kan diß alles gar nicht glauben undt bilde mir ein, man sagt es nur hir, den König zu flattiren undt hoffnung zu geben, daß der printz de Conti noch König werden könte, denn so imprudent bilde ich mir den König in Poln gar nicht ein. Ich kan nicht begreiffen, da der König in Poln sicht, daß der fürst von Fürstenberg von nöhten hatt, daß man ihm die flügel beschneydt[3], auch sonsten kein groß genie ist, wie er nicht lieber einen fürsten von seinem eygen hauß zum statthalter gemacht hatt. Wenn es wahr ist, daß der Churfürst die Laußnitz verkaufft, könte man ihm woll sagen wie la Fleche zu Cleante im l’avare[4]: Je [vous] voy, monsieur, ne vous en déplaise, dans le grand chemin justement que tenoit Panurge pour se ruiner prenant argent par avance, achettant cher, vendant à bon marché et mangeant son blé en herbe. Mich wundert, daß die gräffin Leuwenhaupt[5] undt ihr mann ihre schwester dem König in Poln so nachführen, da doch die gräffin Leuwenhaupt tugendtsam sein soll, da thut sie aber ein heßlich handtwerck. Nun man weiß, daß die polnische damens so ficks mitt dem sebel sein, wirdt das freüllen Königsmarck nicht [303] weißen dörffen, daß sie jaloux ist, auch der sarosta von Vilespoleski[6] keine jalousie geben dörffen. Es jammert mich von hertzen zu vernehmen, daß oncle so gar schwach ist, nachdem man erst so gar gutte hoffnung von du Nords[7] remedium gehabt hatt; es ist desto betrübter zu sehen, daß es nicht geholffen hatt. Ich kan mir leicht einbilden, was oncles gegenwart den bürgern zu Hannover vor eine freüde verursachet, denn es war lange, daß die gutte leütte die gnade nicht gehabt hatten, ihren herrn zu sehen, bin versichert, daß diß mehr leütte in die pastorale geführt hatt, alß die pastorale ahn sich selbsten. Es muß doch oncle woll gefallen haben, die affection von seinen unterthanen zu sehen … Ich glaube, daß ich E. L. schon bericht, daß, wenn der frieden nicht gestern zu Reissewick[8] geschloßen worden, wirdt man wider gantz von neüem ahnfangen müßen … Ich wuste woll, daß der graff Meinard, jetziger duc de Chomberg, so einen dollen kopff hatt; ich kene ihn lengst; man hatte auch die gutte Caroline davor gewarnt gehabt, sie hatt ihn aber nehmen wollen. Mich deücht, diß exempel hatt Louisse undt Amelisse[9] greülich von Männer-nehmen verleydt. Ich glaube, daß, wenn mad. de Brinon[10] I. L. die Churfürstin von Brandenburg sehen solte, würde sie sie gerne bekehren wollen, denn das geschrey ist, daß sie die schönne damen gar gerne sicht. Morgen über 8 tag hoffe ich nach Maubisson zu gehen, da werde ich E. L. schreiben ahn mad. Brinon fordern. Waltter[11] wirdt des großen Czars sohn nicht von dem laster abhalten, so hir so sehr im schwang geht undt bey die Moscowitter auch gar gemein sein soll, denn den jungen Guldenlew hatt dießer Walter gantz dazu gezogen. Es wundert mich aber, daß ein so gar großer herr wie der Czaar nicht lieber etwaß rechts bey seinen sohn thut, alß dießen Walter, welcher, wie ich gehört, kein edelman ist…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. September 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 302–303
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0308.html
Änderungsstand:
Tintenfass