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Brief vom 12. Januar 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


325.


[318]
Versaille den 12. Januari 1698.
… Es ist hohe zeit, daß mein tochter geheüraht wirdt, denn bliebe sie lenger hir, würde ihr herr vatter sie gantz verderben, wie er schon ihren bruder gethan; er fing schon ahn, ihr einzupredigen, nichts mehr nach meinen instructionen zu fragen. Ich habe es aber ungefehr erfahren undt meine meinung drüber gesagt, Monsieur war gantz confondirt. Wenn E. L. die umbständen hirvon wißen solten, würden sie sich verwundern, ich selber könte es ohnmöglich glauben, wenn ichs nicht selber gehört undt gesehen hette. Ich dancke meinem Gott, nur die zwey kinder zu haben; hette ich deren mehr, ich glaube, mein herr würde mich närisch machen. Es ist ihm nun schon bang, daß mich der hertzog von Lotheringen lieb bekommen undt consideriren mögte, denn er will nicht, daß der envoyé mitt mir sprechen soll; sobaldt er weiß, daß er bey mir ist, lest er ihn hollen. Ich hatte I. L. gebetten, mir ein tag vorher zu sagen, wenn der König undt er ahn den hertzogen antworten würden, damitt ich auch mein brieff fertig halten könte, das verspricht er mir, sagt es mir aber erst den andern tag, wie der König undt er ihre brieffe schon weg geschickt hatten, in hoffnung, daß es dem hertzog von Lotheringen auff mich verdrießen möge, daß ich ihm so spät schreibe. … E. L. haben gar woll gethan, ahn mons. Spanheim[1] unßerer raugräfflichen [319] kinder pretentionen zu geben, denn weillen der König jetzt den Churfürsten von Brandenburg von nöhten hatt, wirdt er alles thun was der Churfürst will, denn hir geschicht nichts auß lieb, generositet oder gerechtigkeit, sondern nur alles auß interesse undt wie die wollen, so man von nöhten hatt. Das beste mittel zu reussiren ist, die mad. de Maintenon zu bitten, favorabel zu sein, denn durch sie geschicht alles. König Wilhelm hatt durch sie den frieden gemacht; die reine-duchesse[2] hatt durch sie ihres sohns heüraht mitt meiner dochter gemacht. …
Man hört jetzt hir nichts alß von dieb undt stehlen. La feste de St. Genevieve haben die diebe zu Paris ein stückelgen ahngestelt: einer von dießen bürscher verkleidte sich alß ein pere de St. Genevieve, nahm eine taffel mitt einem schreibzeüg, setzte sich geraht vor die kirchenthür undt sagte zu allen, so in die kirch kommen: la presse est trop grande à la sacristie pour recevoir l’argent des messes, c’est pourquoy nostre abé m’a ordonné de recevoir l’argent icy. Jeder gab sein gelt, welches dießer falsche priester hübsch auffschrieb; einer aber, so nicht recht eins umb den preiß war, rieff den sacristan undt fragte, warumb die meßen jetzt so thewer weren? Der sacristan andtworte, sie weren nicht thewrer alß ordinari. Dießer wieß den verkleydten pfaffen; der sacristan dachte woll gleich, daß ein schelmenstück dahinder sein müste, wolte den verkleydten priester arestiren, der pfiff, da kamen viel seiner cammerahten undt halffen ihn durch, undt lieffen alle davon. Man konte sie nicht fangen. Man laß das register von waß er entpfangen hatte undt man fandt 800 francken, womitt sie durchgangen waren. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Januar 1698 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 318–319
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0325.html
Änderungsstand:
Tintenfass