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Brief vom 10. Juli 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


346.


[336]
St. Clou den 10. Julli 1698.
Ich bin von mons. le dauphin heütte auff die jagt eingeladen worden, weillen es aber unerhört weit von hir ist, alß nehmblich 6 oder 7 gutter meillen, undt ich wegen der gesterigen reiß nach Maubisson nicht habe vorher ahn E. L. schreiben können, also die post heütte hette müßen verseümen, so habe ich mich nicht dazu resolviren können, denn mein hertzlieb ma tante geht mir über alles in der welt, undt weillen ich E. L. leyder nicht mündtlich sprechen kan, ist das schreiben mein eintziger trost, werde also mitt meinem willen nie keine post verseümen. Ehe ich aber auff E. L. gnädiges schreiben antworte, muß ich E. L. sagen, wie ich gestern ma tante, die fraw abtißin[1] gefunden. Ich bin um halb 12 dort ahnkommen undt bis 4 nachmittags bei I. L. geblieben. Sie waren Gott sey danck in vollkommener gesundtheit; man sicht I. L. ihr alter nicht ahn, sie seindt noch so vif undt lebhafft alß nie, gehen braff undt der kopff schudelt gar nicht, allein sie bücken sich ein wenig mehr alß vor dießem. Wir haben braff geplauttert … Graf Plattens gemahlin[2] kan sich desto mehr über ihres manns ahnkompfft erfrewen, denn er hatt gefahr außgestanden; hette ich seine impertinence nicht so sehr verhehlt undt überall verbotten, davon zu sprechen, were es ihm sehr übel hir gangen. Bey graff Platten kan man das sprichwort woll mitt recht sagen: Stille waßer gründen tieff[3]; hir hatt er vor mir die maniren auch so still gehabt, allein seine actionen seindt nicht still undt ist gar emporté. Er hatt ein doll leben hir geführt; es ist kein wunder, daß er mager undt eingefahlen ist, wenn er nur sonsten nichts übels ahm halß hatt, wirdt sich seine fraw woll trösten können … Wo mag Carl Moritz[4] das dolle frantzösch gelernt [337] haben[5]? zu leßen ist das alte frantzösch nicht schlim, aber so reden zu hören, muß choquiren. Ich hoffe, der ungerische frieden wirdt gemacht sein, eher Carl Moritz weg wirdt. Wie ist der arme bub so klein blieben? denn alle seine brüder sein groß worden; seine schwestern sollen auch nicht klein sein. Ich glaube, daß wenn ich ihn kennen solte, würde ich ihn leicht lieb haben, darff nur, umb ihn zu lieben, gedencken, daß er papas sohn ist; allein ich glaube nicht, daß ich ihn jemahlen so lieb alß Carllutz[6] würde haben können, denn dießen hatte ich so lieb, alß wenn er gantz mein bruder von allen seytten geweßen were. … Ich sehe, daß die menschen einander so plagen wegen der religion, alß wenn sonsten kein unglück genung in der welt were. Ich glaube nicht, daß jemahlen jemandes erleben wirdt, daß man die 3 art charlatans quit wirdt werden, wo papa s[eelig][7] von sprachen[8]. Die quietisten fünde ich all eine possirliche religion, wenn sie die eintzige ambition nicht zum endt undt zweck hetten; E. L. werden schöne streiche davon in mons. de Meaux[9] buch sehen. Es frewet mich recht zu sehen, daß ich gantz E. L. religion bin. Ich weiß nicht wie waß der große mann von dießer religion, ich will sagen: von den quietisten, wie ihm das die augen nicht öffnet undt clar erweist, wie man nur bedacht ist, ihn zu gouverniren, undt nur deßwegen die religion zum pretext nimbt undt daß keines von denen, so ihn so bang vor die helle undt den teüffel machen, sich darumb bekümmern, noch selber bang davor sein…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Juli 1698 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 336–337
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0346.html
Änderungsstand:
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