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Brief vom 21. September 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


355.


[344]
Port Royal den 21. Septemb. 1698.
… Mein sohn hatt mir gesagt, wie er wider von Compiegne kommen, daß mons. de Meaux[1] dortten solle gesagt haben: je prepare une meule de moulin qui escrasera tout un coup mons. de Cambray[2]. Es hette ihm jemandes geantwortet: s’il la voit venir, il se mettra à lescarte et la laissera tomber. Wenn die meule de moulin getruckt wirdt sein, werde ichs E. L. schicken. Ich habe woll gedacht, daß E. L. finden würden, daß [345] der ertzbischoff von Cambray sich woll verantwortet hatt in seinem letzten buch, weillen man aber mitt dießer entschuldigung nicht zufrieden ist undt mons. de Meaux obligirt, ferner gegen ihm zu schreiben, glaube ich was man mir lengst gesagt hatt, nehmblich daß, weillen der arme ertzbischoff gegen die declaration von einem geheimen heüraht[3] gerahten hatt, daß man ein exempel ahn ihm geben will mitt verfolgung, damitt andere bischöffe undt ertzbischoffe sich dran spiegeln mögen undt starck zu der sach rahten. Ich bin von hertzen fro, daß E. L. die theologischen sachen im ahnfang von mons. de Cambrays buch nicht verstehen, ich meinte, meine ignorantz were es allein schuldt, daß ich es nicht habe begreiffen können. Ich habe von hertzen gelacht, daß E. L. sagen, daß es die pfaffen jetzt wie die dockters undt apotheckers machen, damitt sie niemandes verstehen kan alß sie unter einander. Ich habe mons. de Meaux gefragt, wie die quietisten die liebe Gottes verstehen, welche ich auch nicht begreiffen konte. Er sagt, ihre lehre were, daß sie erstlich, wie E. L. gar recht sagen, gantz ohne interesse lieben sollen undt ihn ebenso lieb haben, wenn er sie verdammen solte, alß wenn er sie seelig machte, daß sie stehts ahn Gott dencken müsten undt mitt betrachtung sagen dieu est; weitter hetten sie nichts zu thun, die liebe gegen Gott zu bezeugen. Dieu est ist noch zwey wort weniger gesagt alß ich liebe dich, Gott, also leichter. Ich finde, daß E. L. über die maßen schönn undt woll über diß alles raisoniren, undt kan nicht glauben, daß jemandes waß dargegen zu sagen kan finden, denn es ist ja sonnenclar, daß nicht bößes geschicht in der welt ohne böß naturel undt daß man das gutte nicht kenen könte, wenn kein bößes were. Worinen die pfaffen nicht so einig mitt E. L. aber sein würden (wenn jemandt dießes gnädige schreiben sehen solle), ist, daß E. L. die ewige verdamnuß in zweyffel stellen, welche sie doch absolute haben wollen; es ist auch ihr interesse, daß mans glaubt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. September 1698 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 344–345
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0355.html
Änderungsstand:
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