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Brief vom 15. Januar 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


368.


[354]
Versaille den 15. Januari 1699.
… Mein lieber duc de Bery[1] ist so zu sagen in arest, wirdt 8 tag eingespert bleiben: es darff kein seelenmensch zu ihm, sein apartement ist verschloßen. Er hatt die corection woll verdint, ist gar zu emportirt. Vergangen Montag war er auff der jagt mitt seinem herrn bruder, umb caninger zu schießen. In alles was er thut ist er gar hitzig, derowegen sagten seine hoffmeister zu ihm, er solte so viel schießen alß er wolte, allein er solte nicht auff die seitte schießen, wo seine herrn brüder stunden. Dießes ungeacht hatt er doch dahin geschoßen undt es hatt keine zwey finger breit gefehlt, daß er seinen elsten herrn bruder, den duc de Bourgogne, erschoßen hette. Der sougouverneur, mons. de Ratelie[2] riß ihm geschwindt die flinte auß der handt undt wolte ihm nicht erlauben mehr zu schießen. Da wurde er so emportirt, daß er sich selber den kopff entzwei schlagen wolte, undt hette es gethan, wenn man ihm nicht einen großen stein auß den händen gerißen hette. Er hieß seinen sougouverneur coquin, traitre, scelerat; der sagte: je m’en plaindray au roy, il me fera justice. Ouy, sagte der duc de Bery, il vous fera donc couper la teste, vous le merittés. Über dieß alles hatt ihn der König in arrest setzen laßen, wornach er durchauß nichts fragt. Es war gestern schon der dritte tag undt er thut nichts in seiner cammer, alß singen undt springen. Gestern morgendts, wie er seinen sougouverneur in sein cammer kommen sahe, sagte er gantz lustig zu ihm: he bien, monsieur, quand y aura-t-il bal, n’y danseray je pas. Mr. de Ratelie[3] sagte: Comment songés vous à danser, ne savés vous pas que vous estes en prison? Moy en prison, sagte der duc de Bery, aprenés, monsieur, que des gens comme moy on ne traitte pas ainsi, cela seroit bon pour vous. Dießes kint hatt eine solche fierté, die nicht zu überwinden, man thut aber doch woll, daß man ihn wegen des emportement corigirt. Vorgestern fragte er einen von seinen premiers valets de garderobe, so vor dießem bey mad. la dauphine geweßen undt welcher also offt zu mir kompt: Genday, madame sait elle ce qui se passe? qu’en dit elle? Ich habe [355] zu Genday gesagt, er solle sagen, ich were gantz betrübt, daß er, den ich so lieb hette, seine reputation so verlire undt vor einen so dollen menschen würde ahngesehen werden, der capabel seye, wenn er sich nicht corigire, seinen herrn bruder oder sich selber zu ermorden, daß ich ihm waß beßers zugetrawet hette. Ich werde heütte erfahren was er drauff gesagt hatt. … Die pantecratte[4] hatt mir die visitte nicht wider geben. Meint die pantecratte, sie dörfft einem alles übels thun undt man darff es nicht ahn denen sagen, so man ahm liebsten hatt? Das muß sie sich woll gewehnen, sie thue so viel guttes, alß sie mir übels gethan, so wirdt sie lautter lob undt dancksagungen in meinen brieffen finden; aber ich habe nur die wachtelhundt gesehen, so die lieb haben undt caressiren, so ihnen übels thun undt sie schlagen, aber bey menschen geht das nicht ahn. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Januar 1699 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 354–355
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0368.html
Änderungsstand:
Tintenfass