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Brief vom 26. Juli 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


387.


[374]
Port Royal den 26. Julli 1699.
… Es ist gewiß, daß, wenn Monsieur[1] nicht foible were undt sich von den bößen leütten, so ihm lieb undt wehrt sein, alles weiß machen ließe, würde er der beste herr von der welt sein, ist also mehr zu bejammern, alß zu haßen, wenn er einem waß zu übels thut. Mein sohn hatt sehr viel verstandt undt ich bin versichert, daß seine conversation E. L. nicht mißfahlen solte; er weiß viel, hatt ein gutt gedächtnuß, undt was er weiß, bringt er gar nicht pedantisch vor; hatt all noble expressionen; aber sein gemühte ist nicht genung erhoben, er geht lieber mitt gemeinen leütten, mitt mahlers undt musicanten umb, alß mitt etwaß rechts, undt meint, er müße alles thun, was er junge leütte thun sicht, ob es zwar gegen sein temperament undt humor ist, bildt sich ein, zehnmal stärcker zu sein, alß er ist. Ich förcht, er wirdt sich hiemitt einmahl umbs leben bringen; er folgt nie keinen gutten raht, allezeit den schlimmen; er kent die tugendt woll, meint aber, es seye artig, solches zu verachten undt die laster zu aprobiren. Er ist gutt undt nicht boßhafftig, wirdt mitt willen niemandts nichts zu leydt thun, allein er hatt wenig naturel … Er arbeydt jetzt starck vor E. L., macht eine fable vor E. L., denn alles was er mahlt, muß all historique sein; er nimbt alß den pretext, in der frühe nach Paris mahlen zu gehen, aber, unter unß geredt, es ist ein jung metgen von 16 jahren, so recht artig ist, eine commediantin, da ist unßer cavalier sehr verliebt von, die lest er zu sich kommen; wenn er ihr gesichtgen in seine Antigone mahlt, wirdt sie gewiß hübsch werden. Ich habe es noch nicht gesehen, nimbt er aber diß gesicht undt setzts in sein gemähl, will ichs E. L. schreiben. Ich gestehe, daß ich lieber wolte, daß die metamsicose[2] wahr were, alß die helle[3], oder daß unßere seele sterblich were, das kan ich ahm wenigsten leyden, undt leyder so ist hirzu mehr aparentz, alß zu den zweyen andern. Ich glaube, daß der, so das buch gemacht, daß keine helle[4] seye, es auß barmhertzigkeit gethan, die sünder zu trösten. Daß nicht zwey ewigkeitten sein können, ist woll gewiß, allein man kan in der heyligen schriefft von ewigkeit zu ewigkeit [375] gesagt haben, umb die ewigkeit desto fester zu imprimiren. Geister habe ich große mühe zu glauben, denn were etwaß, so unß unbekandt undt sich doch weißen könte, würde man mehr gewißheit davon haben können, denn ordinarie erscheinen die geister nur ahn abergläubliche leütte, ahn trunckene oder ahn betrübte, so mitt dem miltz geplagt sein; auff [das,] was die sagen, kan kein grundt gesetzt werden; examinirt man weitter, findt man betrug, dieb oder galanterie. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Juli 1699 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 374–375
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0387.html
Änderungsstand:
Tintenfass