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Brief vom 10. Oktober 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


394.


[380]
Fontainebleau den 10. October 1699.
… E. L. haben recht zu sagen, daß man hir nichts von der qual redt, so man den armen reformirten ahnthut, man hört kein eintzig wort davon. Auff was E. L. weitter hirvon sagen, können E. L. woll gedencken, daß ich nichts sagen darff, die gedancken aber seindt zollfrey[1]; doch muß ich das noch sagen, daß was I. M. hirauff mag gesagt werden, glauben sie nichts, wenn es mad. de Maintenon noch der ertzbischoff von Paris[2] nicht sagt; die allein glaubt der König in religionssachen. Ich glaube doch, daß, wenn König Wilhelm sich bey den friedenstractaten der sach ein wenig mehr ahngenohmen hette, were es nicht auff eine solche extremitet kommen, denn man wolte den frieden mitt aller gewalt haben, undt hette er die conditionen gesetzt, auffzuhören, die reformirten zu plagen, so were es geschehen[3] … Kein eintziges von allen meinen contrefaitten gleicht mir so woll; mein fett hatt sich gar übel placirt, muß mir also woll übel ahnstehen: ich habe einen abscheülichen met verlöff hintern, bauch undt hüfften undt gar breitte axlen, halß undt brüste sehr blat, bin also, die warheit zu bekennen, gar eine wüste heßliche figur, habe aber das glück, gar nichts darnach zu fragen, denn ich begehre nicht, daß jemandes verliebt von mir sein solle, undt ich bin persuadirt, daß die, so meine gutte freünde seindt, nur mein gemühte undt nicht meine figur betrachten werden. … Es ist gar gewiß, daß mons. Leibenitz [381] perfect gutt frantzösch schreibt; mögte wißen, ob er auch den accent so perfect hatt wie die art von reden … Ich weiß das wort von ridicule auch nicht auff teütsch zu geben, habe aber doch etlichmahl gehört, daß man gesagt, wenn man waß ridiculs gesehen: das sicht spöttlich auß, auch wenn man jemandes in ridicul tournirt, sagt man: er hatt seinen spot mitt; glaube also, daß spotlich ridicul bedeutt, wiewoll es nicht just drauff kompt; aber hertzog Anthon Ulrich, so von der fruchtbringenden geselschafft ist[4], wirdt beßer alß ich hirüber desidiren können. Mir kompt die neüe mode recht schön vor, denn die abscheüliche hohe coeffure konte ich nicht vertragen. Es ist rar, daß eine so gar schöne person, wie unßere liebe Churfürstin von Brandenburg[5] ist, so wenig nach ihrem butzen fragt undt sich so geschwindt kleydt … So lieb alß ich unßern hertzog von Lotheringen auch haben mag, so gestehe ich doch, daß ich dem König kein unrecht hab geben können, undt deücht mir, daß unßer hertzog beßer thet, weniger ahn seinen rang zu gedencken undt suchen den König zu gefahlen, denn der rang ist eine chimere, aber des Königs gnaden zu gewinnen, damitt ihm nichts wunderliches in seinem herzogthum widerfährt, das ist solide undt viel nöhtiger, denn die aparentz ist, daß er all sein leben mehr vom König, alß vom Keyßer dependiren wirdt …
P. S. In dießem augenblick erfahre ich, daß mad. de Maintenon beste freündin, die Monchevreuil[6] gestorben ist. Nun ist ein böß weib weniger in der welt; Gott bekehre alle, so es noch sein undt nehme sie in sein paradeys. amen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Oktober 1699 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 380–381
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0394.html
Änderungsstand:
Tintenfass