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Brief vom 3. Januar 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


401.


[386]
Versaille den 3. Januari 1700.
Die post geht jetzt recht verdrießlich undt ist noch nicht ahnkommen; ich hatte mich drauff gefreüet, undt ein gnädig schreiben von E. L. were das ahngenehmbste neüjahr geweßen, es hatt mir aber leyder gefehlet … Wir haben jetzt gantz undt gar nichts neües hir. Gestern haben wir hir die neüe commedie von Athanais[1] gesehen; sie haben recht woll gespilt, aber mich deücht doch, daß das stück nichts besonderes ist. Das sujet gefehlt mir nicht übel, aber in meinem sinn macht er seine personagen nicht verständig genung, undt ich kan nicht vertragen, daß Theodose seiner schwester Pulcherie, die doch, wie man woll sicht, alles regirt, zwey mahl befilt, den [387] tempel zurecht machen zu laßen vor sein beylager, alß wenn er sonst keine leütte hette; das kompt mir zu bürgerlich vor. Darnach auch den philosophe Leontin, den macht er wie einen pedanten reden undt weiß nie nicht recht was er will, denn ein augenblick will er seine dochter zur Keyßerin machen, ein augenblick hernach weint er drüber; das deücht mir ein sot personage vor einen philosophen zu sein, welche mehr resolution in ihre deseins haben sollen. Des Keyßers personage gefehlt mir auch nicht, denn im ahnfang will er halb raßendt werden vor jalousie, undt hernach ist er gantz fertig, seine maitresse seinem rival zu cediren, wenn sie nur will; das ist nicht natürlich. Aber hirmitt einmahl genung von der gesterigen commedie. … Heütte undt morgen werden E. L. singen[2]: Ein kindellein so löbelich ist unß geboren heütte[3], oder: Ein kindt geboren zu Bettlehem[4], zu Be he hetlehem, deß frewet sich Jerusalem, halé halé halé haleluja, oder: In dulci jubilo ho ho, nun singet undt seydt fro ho ho, unßers hertzens wo ho ho né ligt in praesepio ho ho undt leüchtet alß die so ho ho ne, in matris gremio ho ho, alpha est et o ho, alpha est et ho[5]
Wenn patte[6] noch bey E. L. ist, wenn sie diß schreiben entpfangen werden, so bitte ich E. L., sie wollen doch die gütte haben, patte mein compliment zu machen, damitt I. L. meiner nicht vergeßen mögen, denn ich habe patte noch alß recht lieb. Der Churfürst[7] hatt kein unrecht, nicht nach Zell gehen zu wollen, wenn seine geweßene gemahlin[8] dort were; aber dießer printzes fraw mutter[9] hatt auch recht, zu wünschen, daß ihre fraw dochter auß ihrer gefängnuß[10] kommen möge. Ich bin aber woll E. L. meinung, daß der Churfürst sie gar nicht mitt ehren wider nehmen könte, nach dem abscheülichen esclat, so vorgangen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Januar 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 386–387
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0401.html
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