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Brief vom 14. März 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


409.


[396]
Versaille den 14. Mertz 1700.
… Ich meinte, graff Platten[1] were nur von oncles s[eelig] alter, könte also gar woll sein bruder gewest sein; ob sein sohn[2] oncle zugehört, weiß ich nicht; allein wie er es ist, gleicht er I. L. s[eelig] woll gar nicht undt kan man woll sagen, daß kein ader in ihm ist, so oncle s[eelig] gleicht, habe derowegen auch gar nicht glauben können, daß er sein sohn ist. … Gestern hatten wir hir auch commedie le joueur[3], sie spiltens recht woll, machte unß sehr zu lachen, ob zwar das stück nicht sonderlich viel deücht; [397] le joueur ist sehr au naturel repressentirt; es seindt auch etliche scenen drinen, so warhaffte geschichten sein von leütten, so wir alle kennen … Es were mir leydt, wenn I. L. der Churfürst krieg mitt den hertzogen von Wolffenbüttel haben solte, denn das seindt die grimigste kriege, wenn verwantten undt landtsleütte gegen einander kriegen. Die historie vom hauß Braunsweig ist schir wie die erstgeburt von Essau undt Jacob, indem der elste seinen segen, so zu sagen, dem jüngern cedirt undt darnach doch wider haben wolte. Es wundert mich nicht, daß hertzog Anthon Ulrich so schön romanisiren kan, weillen sein herr vatter[4] sich auß lieb geheüraht hatt. … Ich weiß leyder woll, daß alles zu Heydelberg verbrandt undt verwüst ist, allein man hatt mir gesagt, man hette die papiren undt bücher salvirt undt nach Strasburg gebracht undt alles were vergangen jahr dem Churfürsten[5] wider gelieffert worden. … Carllutz[6], der sonsten all vertrawlich mitt mir sprache undt viel von seinen avanturen verzehlt hatt, hatt mir nie nichts von der printzes[7] von Allen[8] gesagt. Man hatt mir versichert, der Churfürst von Brandenburg nehme alle tag den pretext, thé undt caffe bey mons. Colb[9] drincken zu gehen, undt es seye nur, mitt der fraw[10] zu plaudern undt courtesiren, daß Colb auch ein dochtergen habe, so den Churfürsten alß papachen hieße, undt daß es nicht sicher were, daß er es nicht seye, daß Colb zwar immer der pretext geweßen were, aber der Churfürst der rechte galant …
Meine taille ist monstreux, denn ich bin klein, wie E. L. woll wissen, undt habe dicke breitte axseln, einen abscheülichen dicken hintern undt hüfften undt bauch, gar keine brüste. E. L. können leicht gedencken, daß dießes alles zusamen etwaß abscheüliches macht, aber es ist nichts dazu zu thun. Nach den kinderblattern bin ich in kurtzer zeit so geworden; befinde mich doch nicht übel darbey undt kan noch zimblich woll gehen undt reitten; seyder einem jahr habe ich nicht zugenohmen, hoffe also, daß ich nun so bleiben werde; hette ich immerfort zugenohmen, were ich endtlich gar eine kugel geworden. Junge leütte wie der Konig in Denemarck[11] meinen, sie werden heros, wenn sie nur krieg führen, undt dencken nicht, daß es übel ablauffen kan undt daß sie, wenns glück nicht will, sie ahnstatt des heros nur zeros werden; hoffe, der König in Denemarck wirdt gutten raht folgen … Die hertzogin von Cell[12] muß eine langweillige fraw sein, immer so zu lamantiren; sie solte nie von ihrer dochter[13] sprechen, denn es ist ihr ja eine rechte schande, sie so übel erzogen zu haben. Ich glaube, sie hofft, daß, wenn der hertzog von Cell[14] ihre dochter sehen solte, daß sie ihn so sehr bitten würde, ihren frieden [398] mitt I. L. dem Churfürsten von Braunsweig[15] zu machen, daß er ihr es nicht würde abschlagen können, aber sie solte sich contentiren, schon einmahl so schlime waar verkaufft zu haben undt nun ferner die sachen gehen laßen, wie sie sein …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. März 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 396–398
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0409.html
Änderungsstand:
Tintenfass