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Brief vom 8. April 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


410.


[398]
St. Clou den 8. April 1700.
… E. L. werden auß eines von meinen schreiben ersehen haben, wie daß made de Bethune[1] mir gesagt, wie übel die Poln finden, daß ihr König[2] krieg mitt Schweden ahngefangen hatt. Die Saxsen müßen noch recht gutte Teütsche sein, ihren Churfürsten[3] so beständig lieb zu behalten, ob er sie zwar verlaßen hatt. Oncle s[eelig][4] hatte groß recht, die d’Olbreussische race nicht bey sich zu leyden, allein weillen man dadurch sahe, wie schlim der heüraht[5] war, hette man ihn nicht thun sollen, undt glaube ich, daß mehr vortheil geweßen were, das gantze hauß einig zu behalten undt kein bastardgen zu heürahten, alß dießen heüraht zu thun, so so übel geglückt undt oncle eygene sohne in unglück stürtzt undt die uneinigkeit zwischen den herrn brüdern ins hauß lest. Aber das seindt leyder all geschehene sachen, also ohnnöhtig, daß ich davon rede. Es ist sehr sensible, sich von einem menschen übel tractirt sehen, so nicht mehr ist, alß wir sein, denn der hertzogin von Zell gebuhrt ist gar nicht erhoben. Es ist leicht zu glauben, daß dieße hertzogin der refugirten müde, aber da ist leicht mittel zu, denn weillen sie die catholische religion so gutt findt, so mag sie sich nur catholisch machen so wirdt sie nicht mehr obligirt sein, sich der refugirten ahnzunehmen … Ich kan leicht begreiffen, wie sehr es E. L. schmertzen muß, Dero herrn söhn so ellendt zu Wien zu wißen; 23 taußendt thaller ist eine große sum vor eine witwe; E. L. müßen selber noht leyden, wenn es continuiren solte[6] … Ahnstatt tenebre[7] werden E. L. ohne zweyffel nun singen: O mensch, bewein dein sünden groß, darumb Christus seines vatters schoß eüßert undt [399] kam auff erden; von einer jungfrawen rein undt zart für unß er hir geboren wardt; er wolt der mittler werden. Dem todten er das leben gab undt legt dabey alle kranckheit ab; biß sich die zeit herdrange, daß er für unß geopfert wurdt, trug unßer sündt schwere last woll ahn dem creütze lange[8]. … Aber wo hatt Carl Moritz das alt frantzösch[9] auffgefischt? Mich deücht, mad. Gregu[10] sprach nicht so übel. Mad. Longeuil[11] ahnstatt daß sie hette über ihre seyte klagen sollen, hette schreyen sollen wie lavare: ah mon cher argent[12][13]. Ich habe lachen müßen, was E. L. undt I. L. mein patgen ihr gesagt; ich glaube aber, daß seyder jephte dochter wenig jungfrawschafften seindt beweinet worden[14]. … Was E. L. vom Keyßer sagen, hatt mich, so trawerig ich auch bin, doch von hertzen lachen machen; wie hatt man aber den Keyßer nicht gehen lehren, denn es seindt ja nur die kinder von 3, 4 jahren, so mitt einem bein zuvor die stiege herundergehen. Die medissance geht weit, daß sie I. L. den Churfürsten von Brandenburg so unschuldig beschuldigen. … Zu Orleans haben die wölff 300 menschen alß weiber undt kinder gefreßen. Man hatt von des Königs mousquetaires commandirt, die wölffe zu schießen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. April 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 398–399
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0410.html
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